1. Advent 28.11.21

Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Gemeinde,

wenn man die Bibel aufschlägt, findet man selten eine Situation von Wärme und Geborgenheit. Nichts ist in Ordnung, so dass wir uns zurücklehnen könnten und unseren Spaß haben.

Wenn ich das Buch Jeremia aufschlage, lande ich mitten in der Katastrophe. Jeremia sagt voraus, dass das  Südreich Juda von Babylon besiegt werden wird, wenn sich der König der AntiBabylonKoalition anschließen wird. Genau das tut der König. Für seine öffentliche Ankündigung der Katastrophe wird Jeremia verhaftet und eingesperrt. Und dann passiert genau das, was Jeremia vorher gesagt hat. Die Oberschicht wird nach Babylon verschleppt.  Eine kleine Gruppe entführt Jeremia nach Ägypten. Falls er zurück gekehrt ist, hat er nur noch verbrannte Erde gefunden. Die Katastrophe ist vollständig. Es gibt keine Hoffnung mehr. Das ist das Schicksal des Profeten Jeremia. Und dieser Profet schreibt wie wir gehört haben von der Hoffnung auf einen gerechten kommenden König.

(Jeremia 23,5-8

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. 6Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der Herr ist unsere Gerechtigkeit«. Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der Herr, dass man nicht mehr sagen wird: »So wahr der Herr lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!«, 8sondern: »So wahr der Herr lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel heraufgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.« Und sie sollen in ihrem Lande wohnen.)

Nichts könnte weiter von Jeremias Erfahrung entfernt sein. Der König Zedekija (der Name heißt übersetzt Gott ist meine Gerechtigkeit) hat gerade sein Volk ins Unglück gestürzt, indem er nicht auf Gottes Profeten gehört hat. Jeremia entwirft ein Gegenbild für die Herrschaft Zedekias: Die Hoffnung ist, dass ein König kommen wird, der diesen Namen verdient und dann alles gut wird. Dann kommen die Verschleppten zurück. Dann werden die Menschen sicher wohnen. Und dann wird es endlich Gerechtigkeit geben.

Wir heute sehen das mit den Königen eher kritisch. Es gibt keine gerechten Könige. Die gab es nie und die wird es auch nicht geben. Wir leben heute in einer Demokratie und der Vorteil davon ist, dass man die Herrschenden ab und zu abwählen kann. Und dann neue Politikerinnen und Politiker wählt, die man auch irgendwann wieder abwählen kann, weil sie natürlich genauso wenig perfekt sind wie die davor. Und in all dem haben wir gelernt, dass es möglich ist mehr Gerechtigkeit herzustellen. Aber alles was wir dafür tun können, hat eine Rückseite und damit wächst nicht nur an einer Stelle die Gerechtigkeit, es wird an einer anderen Stelle auch die Ungerechtigkeit wachsen. Es ist einfach schwer heraus zu finden, welche Entscheidung zu etwas Gutem führt und wenig Nebenwirkungen hat und welche einfach nur Schlechtes bewirkt. Der Vorteil in der Demokratie ist, dass man sich darüber streiten darf und nicht im nächsten Gefängnis landet, wenn man etwas Unliebsames von sich gibt. Das ist deutlich ein Fortschritt im Vergleich zu den Zeiten Jeremias.

Aber natürlich sehnen wir uns auch nach einer vollständig gerechten Herrschaft und danach sicher zu wohnen. Und natürlich hätten wir auch gerne Politikerinnen und Politiker, die alles richtig machen und gerecht regieren, damit wir uns zurück lehnen könnten und uns um unsere Angelegenheiten kümmern und unseren Spaß haben.

Und mitten in der Pandemie können wir uns natürlich zu recht darüber aufregen, dass die Politik zu spät handelt, manche Entscheidungen schlimme Folgen haben. Und das alles nicht so läuft, wie wir das ideal gefunden hätten. Was mich aber gerade aufregt ist, dass die Zeitungen den Politikern sagen, dass hätten sie tun müssen. Die gleichen Zeitungen, die zwei Monate vorher die gleichen Politiker gedrängt haben, das auf keinen Fall zu tun. Ja, über manches dürfen wir uns zu Recht aufregen. Aber ehrlich gesagt, wir wohnen immer noch vergleichsweise sicher. Und die meisten Menschen bei uns sind mit ihrer persönlichen Situation eher zufrieden als unzufrieden. Und viele regen sich zu Recht über falsche Entscheidungen auf. Und zum Glück darf man das bei uns.

Also was bedeutet die Vision Jeremias über den gerechten König, den Gott schickt, heute für uns? Die ersten Christen haben gesagt: Jesus ist dieser gerechte König, den Gott geschickt hat. Und mit ihm wird jetzt alles gut. Heute 2000 Jahre später, ist keineswegs alles gut. Und wir neigen auch nicht dazu zu hoffen, dass Jesus Christus bald wieder kommt und dann alles gut wird. Also warum lesen wir so einen alten Text überhaupt noch?

Ich glaube dieser Text zeigt uns die Richtung für unsere Hoffnungen und Gebete und auch für unser Handeln. Auch wenn wir nie eine vollständig gerechte Herrschaft haben werden, und auch wenn es für uns absolute Sicherheit nicht gibt, so ist das doch ein wichtiges Ziel, dem wir uns annähern können. Es ist ein menschliches Grundbedürfnis in Sicherheit zu leben und gerecht behandelt zu werden. Da wollen wir hin. Und wir sollten jeden kleinen Schritt in diese Richtung feiern. Und wir sollten uns total darüber freuen, dass wir bei uns hier gerade keinen Krieg haben und dass Menschen Hilfe zum Lebensunterhalt bekommen und wir in einem Sozialstaat leben. Das ist alles noch nicht perfekt. Aber es ist auch nicht wenig.

Wir würden richtig in Schwierigkeiten geraten, wenn wir dieses Ziel aus den Augen verlieren. Alle sollen in Sicherheit leben und gerecht behandelt werden. Wenn wir das nicht mehr wollen und uns darum nicht mehr kümmern, dann werden wir untergehen wie damals Zedekija. Diese Hoffnung zu bewahren und dieses Ziel vor Augen zu haben, dazu feiern wir Gottesdienst, dazu lesen wir die alten Texte und sagen es uns immer wieder zu: Alle Menschen sollen gerecht behandelt werden und alle sollen in Sicherheit leben dürfen. Wir brauchen eine Politik, die sich diesen moralischen Werten verpflichtet fühlt. Und dafür müssen auch wir als Einzelne uns dem verpflichtet fühlen. Wie es in der 3. Strophe des Adventsliedes „Macht hoch die Tür“ heißt: Oh wohl dem Land, oh wohl der Stadt, so diesen König (den gerechten Herrscher von Gott) bei sich hat. Wohl allen Herzen insgemein, da dieser König ziehet ein.

In unseren Herzen brauchen wir die Hoffnung und wir brauchen den Wunsch, dass alle in Sicherheit leben sollen und gerecht behandelt werden sollen. Wenn es völlig klar ist, dass wir, das Volk, uns das wünschen und wollen, dann können zwar immer noch einzelne Politikerinnen und Politiker zynisch und korrupt sein und in die eigene Tasche wirtschaften, aber insgesamt wissen sie, dass sie sich um wieder gewählt zu werden in diese Richtung bewegen müssen. Ich kenne ja einige Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker und ich bin sicher, dass die allermeisten Messel und uns allen etwas Gutes tun wollen. Und ich glaube das gilt auch für die meisten Politikerinnen und Politiker auf anderen Ebenen. Sie wollen etwas Gutes. Und dann müssen wir uns halt drüber streiten, was das ist. Das ist Demokratie.

und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!

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