11. Sonntag nach Trinitatis 23.8.20 Albrecht Burkholz

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde,

neulich habe ich beim Boulespielen folgendes Gespräch belauscht: Der Jörg regt sich immer so auf, wenn man ihn kritisiert, wenn man ganz vorsichtig ein bisschen was sagt wie du bist zu früh aus dem Kreis rausgegangen nach dem Schuss. Dabei kritisiert er ständig die anderen, aber er kann es nicht hören. 

Das kennen wir, oder? Ich kann auch ganz gut allen anderen oder notfalls den Dingen und dem Wetter die Schuld geben. Wir alle sind in dieser Hinsicht beratungsresistent. So nennen wir das ja heute. Beratungsresistent sind Chefs, über die man sich ärgert. Beratungsresistent ist Donald Trump, weil er nicht auf seine Experten hört. Aber wir merken: wir selbst sind es auch. Wir sind beratungsresistent, mehr oder weniger, denn wer will schon gerne die eigenen Fehler aufs Butterbrot geschmiert bekommen.

Obwohl ich ja ganz stolz sagen muss: als meine Frau zu mir sagte: du hast 4 Fehler gemacht in deinem Text fürs Nachrichtenblatt, habe ich es ganz gut hinbekommen. Vielleicht weil ich vom Orgeln kam und einen ordentlichen Kaffee dabei getrunken hatte. Vielleicht auch weil man doch etwas lernt in langen der Ehe und der beruflichen Kooperation. Man muss sich etwas sagen können, ohne dass es gleich hochgeht. Also, es ist gut und auch nötig, dass wir offener werden für Kritik und Beratung. Das ist gut für unser Zusammenleben.

Unser Predigttext heute beschreibt am Beispiel von 2 Personen 2 Haltungen, die wir alle kennen und die in uns sind. Natürlicherweise haben wir mehr die eine Haltung – aber Jesus empfiehlt uns mehr von der anderen Haltung, damit Gott unter uns wirken kann. Ich lese Lukas 18,9-14

Das Gleichnis vom Pharisäer und Zolleinnehmer

9 Einige der Leute waren davon überzeugt,

dass sie selbst nach Gottes Willen lebten.

Für die anderen hatten sie nur Verachtung übrig.

Ihnen erzählte Jesus dieses Gleichnis:

10 »Zwei Männer gingen hinauf in den Tempel,

um zu beten.

Der eine war ein Pharisäer

und der andere ein Zolleinnehmer.

11 Der Pharisäer stellte sich hin

und betete leise für sich:

›Gott, ich danke dir,

dass ich nicht so bin

wie die anderen Menschen –

kein Räuber, Betrüger, Ehebrecher

oder Zolleinnehmer wie dieser hier.

12 Ich faste an zwei Tagen in der Woche

und gebe sogar den zehnten Teil

von allem, was ich kaufe.‹

13 Der Zolleinnehmer aber stand weit abseits.

Er traute sich nicht einmal,

zum Himmel aufzublicken.

Er schlug sich auf die Brust

und sprach:

›Gott, vergib mir!

Ich bin ein Mensch,

der voller Schuld ist.‹

14 Das sage ich euch:

Der Zolleinnehmer ging nach Hause

und Gott hatte ihm seine Schuld vergeben –

im Unterschied zu dem Pharisäer.

Denn wer sich selbst groß macht,

wird von Gott unbedeutend gemacht.

Aber wer sich selbst unbedeutend macht,

wird von Gott groß gemacht werden.«

Die Pharisäer waren die besonders frommen Menschen, die sehr einflussreich waren. Zolleinnehmer waren damals sehr verachtet, weil sie mit der Besatzungsmacht, den Römern, zusammenarbeiteten. Wir können nun ungewöhnlicher Weise den beiden beim Beten zuhören. Der fromme und einflussreiche Pharisäer ist mit seinem Leben zufrieden und dankt Gott. So weit so gut. Schwierig wird es bei den Worten: ich danke dir, dass ich nicht so bin wie dieser verachtenswerte Zolleinnehmer. Gegen diese Spaltung im Volk kämpft Jesus. Er steht den Pharisäer nahe. Ja, es geht darum, sich für Gottes Handeln zu öffnen. Aber wie kann das bewirkt werden. Wie Jesus sich das vorstellt, zeigt die Geschichte vom Zolleinnehmer Zachäus gleich im nächsten Kapitel 19 des Lukasevangeliums. Der berühmte Jesus lässt sich von dem Zolleinnehmer einladen – und dann verändert der sein Leben und gibt das unrechtmäßig erworbene Geld den Armen. Hier beim Gebet des Zolleinnehmers wird spürbar wie das geht. Der Zolleinnehmer sieht seine Schuld und bittet um Vergebung. Ganz kurz ist sein Gebet, aber es wird erhört.

Liebe Mitchristen, dürfen wir als Christen stolz sein. Ich finde schon, trotz dieser Geschichte. Aber wir sollen nicht andere  ausschließen. Und wir sollen hinhören, wenn wir auf unsere Fehler aufmerksam gemacht werden. Wir sollen nicht beratungsresistent sein.

In uns steckt natürlicherweise die Haltung des Pharisäers. Wir sind selbstbewusst und bewerten das, was wir sind und was wir tun, als gut. Das ist nötig für ein gesundes und gutes Leben. Aber das ist nicht alles. Es ist gut, wenn wir unseren Kindern Selbstbewusstsein beibringen. Aber auch das ist nicht alles. 

Wir fühlen uns ja nicht immer so stark wie der Pharisäer in dieser Geschichte. Kennen Sie das, das man manchmal denkt, bei mir läuft so viel schief. Ich bin unzufrieden mit dem, was ich bin und kann und erreicht habe. Jugendliche sind gerne himmelhoch jauchzend und wenig später zu Tode betrübt. Aber wir alle kennen solche schwankenden Gefühle gegenüber uns selbst und unserer Situation. Vielleicht zeigt diese andere Seite uns etwas wichtiges. Etwas, wo wir unsere Fehler bekämpfen können. Wo wir Schuld vergeben bekommen können. Wo wir grundlegend unser Leben ändern können. Wo wir umkehren können, damit Gott zu uns kommen kann.

Ich z.B. bin sehr beratungsresistent, wenn ich sehr angespannt bin. Dann dringt auch meine Frau nicht zu mir durch. Das wäre hilfreich, wenn ich das ändern könnte. 

Was kann ich dafür tun? Zuhören. Signalisieren, dass man mir jetzt eine offene Rückmeldung geben kann. 

Was können wir dafür tun, dass wir einander beraten und verbessern können? Keine unerwünschten Rückmeldungen geben, damit die anderen nicht ihr Hören verschließen.

Der Komponist Ludwig van Beethoven ist vor 250 Jahren geboren worden. Wir haben also Beethovenjahr mit vielen Veröffentlichungen. Ich habe auch ein Buch über ihn gelesen. Da habe ich folgende Lesefrucht geerntet. Der Philosoph Martin Heidegger, der sich immer sehr raunend und unverständlich über das Sein und das Seiende ausdrückt, hat über Beethoven gesagt, er sei der  Hörendsten Einer unter den Hörenden gewesen. Ein interessante Formulierung. Das nehme ich mir als Ziel vor, hörender zu werden. Ich bin ja schnell im Reden, langsamer im Hören. Trotzdem bin ich ehrgeizig und nehme mir das zum Ziel: der Hörendsten Einer unter den Hörenden zu werden.

Also, wenn ich weniger beratungsresistent sein will, dann muss ich offener und hörender für Beratung werden. Ich kann beim Boulespielen also vielleicht sogar einer Bemerkung, die ungefragt eine Rückmeldung enthält, trotzdem etwas sinnvolles entnehmen. Besser ist es, ich signalisiere: jetzt bin ich offen. Jetzt darf man mir was sagen.

Wie können wir als Gemeinde uns gut weiterentwickeln. Wo Menschen miteinander umgehen gibt es Missverständnisse. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Deshalb ist es gut, wenn wir Dinge nicht auf Goldwaage legen, sondern so freundlich wie möglich deuten, was uns jemand sagt. 

Viele von uns bringen aus anderen Gemeinden Ideen mit, gerade jetzt nach der Urlaubszeit. Mit dem Blick von außen können wir anders auf das sehen, was ist. Wenn Menschen neu in die Gemeinde kommen, haben die eine neue Perspektive, die uns helfen kann, wenn wir dafür offen und hörend sind.

Die Bibeltexte und Gebete in einem Gottesdienst, die in die Tiefe dringen können. Sie können uns einen anderen Blick auf uns selbst ermöglichen. Und damit die Richtung unseres Denkens und Handelns verändern. Es ist dabei gerade gut, dass diese Bibeltexte so fremd sind. Sie stammen aus einer anderen Zeit, deshalb haben sie nicht unseren Zeitgeist und unsere Vorurteile. Dafür einen anderen Zeitgeist und andere Vorurteile, die wir auch kritisieren können. Hauptsache, da findet ein Gespräch. Und wir sind bei dem Gespräch Hörende mit der Haltung des Zolleinnehmers. Wenn wir uns gegenüber Bibeltexten benehmen wie der Pharisäer, der schon alles hat und weiß und nichts mehr braucht, dann helfen sie uns nicht weiter. Wir müssen uns der Bibel also beratungsoffen nähern. Früher hat man bußfertig gesagt. Bereit,  etwas zu ändern. Bereit, uns von Gott ändern zu lassen.

Wir brauchen im Alltag die normale Haltung des Pharisäers. Wir sind selbstbewusst und ganz zufrieden mit uns. Aber wir brauchen mehr. Spirituell müssen wir die andere Seite stärken, die auch in uns ist. Unsere schwache Seite. Da, wo wir unzufrieden sind mit uns selbst und unserer Situation. Wo etwas knirscht, ohne dass wir es richtig erfassen können. Wo wir uns hilflos und ohnmächtig und ängstlich fühlen. Wo nichts oder jedenfalls zu wenig in Ordnung ist. Das ist die Seite von uns, die besonders offen ist für Gott. Manchmal kommt sie in der schlaflosen Stunde nachts zwischen 4 und 5 heraus. Dann ist es gut, wenn wir mit Gott reden. Wenn wir unseren Hilferuf tief im Herzen zu Gott schicken. 

Als Paulus Gott bittet, seine Krankheit zu heilen, bekommt er nicht das, was er sich wünscht. Und er muss erkennen, dass Gott gerade da, an dem schwierigen Punkt, besonders da ist. Gott ist der, der in den Schwachen mächtig ist. Da, wo unsere Schattenseite ist. Da, wo unsere Rückseite ist. Die, wir normalerweise lieber nicht in den Blick nehmen.

Ich wünsche uns allen für unsere weitere Glaubensentwicklung mehr von diesem Zolleinnehmer.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben. Amen.

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