Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
wir feiern heute 40 Jahre Organistenjubiläum von Klaus Fröhner. Wir als Evangelische Kirchengemeinde Messel freuen uns über eine sehr schöne Orgel mit gutem Klang, ein Barockorgel von 1762, gebaut von Wegmann. Wir haben zwei Organisten, die sehr viel besser sind als wir angesichts der Bezahlung erwarten dürften. Und wir hören die Orgel sogar hier draußen ganz gut. Klaus Fröhner hat uns in den letzten Monaten sehr schöne Orgelliteratur gespielt in einer Qualität, für die ich auch gerne ins Konzert gehen würde.
Aber in einer Predigt darf ich nicht nur über die Musik reden, ich will auch etwas zum Predigttext sagen.
Heute ist unsere Fragestellung: wie stellen wir uns als Kirche möglichst gut auf? Wie sorgen wir dafür, dass möglichst viele Menschen bei uns Zugang bekommen zu Glaube, Liebe und Hoffnung? Wie können wir dazu beitragen, dass Menschen einen Glauben entwickeln und stärken und weiterentwickeln, der ihn hilft, gut zu leben?
Die frühen Christen waren in Jerusalem versammelt, verkauften alles und lebten zusammen von dem, was sie hatten. Sie erwarteten, dass Jesus sehr bald wieder kommt und dass dann diese Erde vergeht und ein neuer Himmel und eine neue Erde von Gott geschaffen werden und dass sie mit Jesus im Paradies leben werden. Aber es dauerte und dauerte und dauerte. Die Christen mussten sich auf ein Leben hier im Glauben an den kommen Jesus einrichten. Dabei gab es einige Probleme, die gelöst werden mussten. Ich lese Apostelgeschichte 6,1-7
61In dieser Zeit wuchs die Gemeinde stetig.
Eines Tages beschwerten sich die Zugezogenen.
Sie warfen den Einheimischen vor,
ihre Witwen bei der täglichen Speisung zu übergehen.
2Daraufhin beriefen die Zwölf
eine Versammlung aller Jünger ein
und sagten:
»So geht das nicht!
Wir können doch nicht die Verkündigung vernachlässigen,
um selbst an den Tischen das Essen auszuteilen.
3Brüder,
wählt aus eurer Mitte sieben Männer aus.
Sie sollen einen guten Ruf haben
und vom Geist Gottes
und von Weisheit erfüllt sein.
Ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen.
4Wir dagegen werden uns ganz dem Gebet
und der Verkündigung widmen.«
5Der Vorschlag fand die Zustimmung der Versammlung.
Sie wählten Stephanus,
einen Mann mit festem Glauben
und erfüllt vom Heiligen Geist.
Außerdem Philippus, Prochorus,
Nikanor, Timon, Parmenas
und Nikolaus aus Antiochia,
der früher zum jüdischen Glauben übergetreten war.
6Diese sieben ließ man vor die Apostel treten.
Die beteten für sie
und legten ihnen die Hände auf.
7Das Wort Gottes breitete sich aus,
und die Gemeinde in Jerusalem
wuchs immer weiter.
Sogar von den Priestern nahmen viele den Glauben an.
Das Problem ist: da gibt es die Christen, die aus dem Land Israel stammen und aramäisch sprechen, eine Sprache, die mit dem Hebräischen verwandt ist. Dann gibt es die Christen aus anderen Ländern, die griechisch sprechen. Die fühlen sich bei der Verteilung des Essens benachteiligt. Die 7 Diakone, die nun gewählt werden zusätzlich zu den 12 Aposteln, haben alle griechische Namen. Also, die Gruppe, die bisher vernachlässigt wurde, bekommt nun die ersten Jobs in der christlichen Gemeinde. So soll es gerechter zugehen. Und es geht gerechter zu. Nur so kann erklärt werden, wieso so viele Menschen zur christlichen Gemeinde dazukommen, sogar Priester.
Also: das Problem musste erkannt werden. Es mussten Lösungen gefunden werden. Die Verletzungen und Kränkungen mussten überwunden werden. Es durfte auch nicht um des lieben Friedens willen geschwiegen werden. Die, die bisher bevorzugt wurden, mussten etwas abgeben. Die, die etwas bekommen haben, mussten mit diesem Sieg vorsichtig und rücksichtsvoll umgehen.
Leider ist das nicht vorbildlich gewesen in der Kirchengeschichte, wie dieser erste Konflikt gelöst worden ist. Obwohl ich finde, dass es ein großes Geschenk ist, dass evangelische und katholische Christen heute anders miteinander umgehen. Wir gewinnen insgesamt damit an Glaubwürdigkeit.
Was heißt das für uns als Evangelische Kirchengemeinde Messel?
Ich finde, wir sind insgesamt gut aufgestellt. Wir haben jetzt sogar zwei Kirchenvorstandskandidaten mehr als wir brauchen. Viele Menschen machen etwas für die Kirchengemeinde. Viele Menschen beten – mehr als man denkt. Eine Herausforderung sind für mich sind die Austritte und dass wir als Evangelische weniger werden. Wir sind jetzt noch 1500 evangelische Christen in Messel.
Das Schrumpfen findet allgemein statt. Bei Evangelischen und Katholischen in ganz Deutschland. Was wächst sind die, die nichts sind. Ich würde gerne aus der Defensive in die Offensive kommen.
Wenn es bei einem Boulespiel es nicht läuft, ist es schwer, es zu drehen. Manchmal hilft immerhin, wenn ich meine innere Ruhe finde und aus meiner Ruhe und Intuition das Beste mache. Gelassen und ruhig und weniger auf das Ergebnis schauend. Dann kann eine Aufholjagt voller Energie gelingen. Manchmal muss man aber auch das Spiel einfach verlieren und neu anfangen.
Als meine Frau und ich letztens spazieren gingen, habe ich versucht, das auf die Entwicklung des christlichen Glaubens in unserer Gesellschaft zu übertragen. Ich habe gemeint: Okay, geben wir das Spiel verloren. Wir als Kirche haben den großen gesellschaftlichen Einfluss verloren. Fangen wir ein neues Spiel an.
Aber dann dachte ich: das stimmt nicht. Wer hat denn mehr Einfluss als die beiden großen christlichen Kirchen? Parteien und Gewerkschaften schrumpfen noch mehr als die Kirchen. ARD und ZDF verlieren Zuschauer. Die Zeitungen verlieren Leser. Und das Internet ist zersplittert in viele Zusammenhänge, in ganz eigene Echoräume und Blasen. Wer hat mehr Einfluss als wir Kirchen mit unseren Gemeindebriefen und Gottesdiensten und gut ausgebildeten Menschen, die vor Ort tätig sind? Wir sind besser aufgestellt als es sich manchmal anfühlt. Und wir genießen ein großes Vertrauen in der Bevölkerung.
Machen wir es fest am Beispiel der Kirchenmusik. Da gibt es große Debatten über die Fremdheit dieser Musik. Diese Art der Musik, die in der Kirche erklingt, hört man selten im Radio. Aber hier ist die Qualität so gut, dass sie für sich spricht. Und Menschen genießen diese Musik auch wenn sie sie nicht aus dem Radio gewohnt sind.
Wir haben eine wunderschöne Orgel und gute Organisten. Wir haben Menschen, die gerne singen und für einen guten Klang im Kirchenraum sorgen – wenn die Coronaeinschränkungen vorbei sind.
Was können wir aus unserem Predigttext mitnehmen, um uns als Kirche gut aufzustellen? Wahrnehmen, wo es knirscht. Sagen Sie es uns, wenn Sie etwas wahrnehmen.
Ich finde, es knirscht vor allem in unserer Gesellschaft. Ich bitte Sie alle, da besser hinzuhören. Wir Christen können im Augenblick glaube ich vor allem hinhören, wenn Menschen etwas ungerecht finden. Wir können der Zersplitterung der Gesellschaft entgegenwirken. Wir können die Hoffnung stärken, wenn die Menschen die Geduld verlieren. Wir können hier bei uns vor Ort etwas möglich machen, was sonst nicht so einfach möglich ist.
Helfen Sie uns mit, wahrzunehmen was ist und wo eine Veränderung nötig ist. Und es geht nicht darum, dass die, die eh schon viel tun, noch mehr tun. Das ist nicht Lösung des Predigttextes. Im Gegenteil: es müssen Menschen gefunden werden, die Ihre Stärken einbringen können. Es muss Misstrauen in Vertrauen verwandelt werden.
Meine Frau und ich haben uns in unserem Dekanat in die Nesseln gesetzt, indem wir immer wieder sehr stark dagegen aufgetreten sind, dass noch mehr Gemeindepfarrstellen gekürzt werden. Wir waren für uns erfolgreich, unsere Stelle ist bis 2030 gesichert, aber jetzt ist ein Papier der Kirchenverwaltung an die Synode gegangen, die noch mal 20 Prozent der Gemeindepfarrstellen gekürzt werden sollen nach 2030. Leider hören unsere Leitungsverantwortlichen nicht zu und das ist erschreckend. Wir würden uns wünschen, dass der Konflikt so gelöst würde wie damals bei der Diakonenwahl. Zuhören. Das Problem lösen. Überforderung abbauen. Neue Menschen für Aufgaben gewinnen. Mehr Gerechtigkeit und Vertrauen ins System bringen.
Damals gab es den Segen des großen Wachstums. Der Heilige Geist, der das damals bewirkt hat, ist auch heute noch unter uns. Und er wird in uns und unter uns und trotz uns wirken. Der Geist Gottes, diese große verwandelnde Kraft, wird uns helfen, das Beste aus allem zu machen.
Genießen wir, was wir haben. Gute Organisten. Eine schöne Orgel. Eine schöne Kirche, die innen und außen der Besinnung dient. Und einen Vorplatz, der uns Gottesdienste unter alten Linden ermöglicht.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zu ewigen seligen Leben. Amen.