Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.
Liebe Gemeinde,
der Predigttext heute ist das Dankgebet des Königs Hiskija, den Gott vor dem Tod gerettet hat. Der Profet Jesaja war zu ihm gekommen, um ihm im Auftrag Gottes zu sagen: Du wirst jetzt sterben. Und Hiskija hat geweint und geschrieen und gebetet. Jesaja war schon fast wieder auf dem Weg nach Hause als ihn folgenden Botschaft von Gott erreicht: 4Da kam das Wort des Herrn zu Jesaja:
5»Geh zu Hiskija und richte ihm aus:
So spricht der Herr, der Gott deines Vorfahren David!
Ich habe dein Gebet gehört und deine Tränen gesehen.
Deshalb will ich dein Leben um 15 Jahre verlängern.
Und das ist das Gebet des Hiskija:
9Hiskija, der König von Juda,
erholte sich von seiner Krankheit.
Dann verfasste er dieses Gebet:
10Als ich krank war, sagte ich:
Mitten im Leben muss ich gehen.
Ich stehe an der Schwelle des Todes,
der Rest meiner Jahre wird mir genommen.
11Dann kann ich den Herrn nicht mehr sehen,
den Herrn im Land der Lebendigen.
Dann kann ich keinen Menschen mehr erblicken,
weil ich nicht mehr auf der Welt bin.
12Meine Bleibe auf der Erde wird abgebrochen,
sie wird weggetragen wie ein Hirtenzelt.
Ich habe mein Leben zu Ende gewebt,
wie ein Weber, der am Schluss den Stoff einrollt.
Der wird dann vom Webstuhl abgeschnitten.
Tag und Nacht lässt du, Gott, mich mein Ende spüren.
13Bis zum Morgen versuche ich vergeblich,
zur Ruhe zu kommen.
Doch wie ein Löwe zertrümmerst du mir die Knochen.
Ja, Tag und Nacht lässt du mich mein Ende spüren.
14Ich piepse vor Angst wie eine Schwalbe
und gurre wie eine furchtsame Taube.
Voll Sehnsucht richte ich meine Augen nach oben:
Herr, ich bin in Not – tritt für mich ein!
15Was soll ich sonst sagen?
Er hat doch nur getan, was er mir angedroht hat.
Ich bin so verbittert,
dass ich keinen Schlaf mehr finde.
16Herr, das ist es, wovon man lebt,
und worin auch ich die Kraft zum Leben finde:
Du kannst mich gesund machen.
Deshalb lass mich leben!
17Jetzt weiß ich:
Mein bitteres Leid hat mir Frieden gebracht.
In deiner Liebe hast du mein Leben
vor Tod und Grab bewahrt.
Denn all meine Sünden hast du genommen
und weit hinter dich geworfen.
18Im Totenreich ertönt kein Dank,
im Tod kein Lob für dich.
Wer ins Grab hinabgestiegen ist,
hofft nicht mehr auf deine Treue.
19Doch wer am Leben ist, der kann dir danken,
so wie ich es heute tue.
Väter erzählen ihren Kindern von deiner Treue.
20Der Herr hat mich gerettet.
Deshalb wollen wir in seinem Tempel
singen und musizieren, solange wir leben.
Am liebsten würde ich jetzt sagen: Ja, so ist es immer. Wenn wir schwer krank sind, dann müssen wir beten und dann heilt Gott uns und schenkt uns weitere Lebenszeit. Aber wir alle wissen, dass es so nicht funktioniert. Und das macht auch das Gebet des Hiskija klar. Es beschreibt sehr eindrücklich, wie es ist, schwer krank zu sein. Es findet starke Bilder: Ich piepse vor Angst wie eine Schwalbe. Wie ein Löwe zertrümmerst du meine Knochen. Hier wird nichts verharmlost. Schmerzen, Todesangst, Schlaflosigkeit, innere Unruhe, sich abgeschnitten fühlen vom Leben. All das beschreibt der Beter sehr eindrücklich.
Und dann dreht es sich plötzlich und man weiß nicht warum: Mein bitteres Leid hat mir Frieden gebracht. In deiner Liebe hast du mein Leben vor Tod und Grab bewahrt.
Und dann schlägt die Klage um in überschwänglichen Dank und Freude über die Rettung und der Beter lobt Gott. Viele Psalmen sind so aufgebaut, um uns, die wir Psalmen beten, Hoffnung zu geben, wenn es uns schlecht geht.
Ja, wir können uns die Psalmen holen und sie nachbeten, wenn wir krank sind, wenn wir Angst haben und wenn wir nicht schlafen können. Und dann kann es sein, dass wir Frieden finden trotz bitterem Leid. Oder auch nicht.
Und wir werden von der Krankheit geheilt – oder auch nicht. Denn eines Tages werden wir sterben. Und auch Hiskija ist gestorben, nur halt 15 Jahre später.
Mir sind die Psalmen wichtig, weil sie kein Blatt vor den Mund nehmen, weil sie vor Gott bringen, was an unserem Leben so anstrengend und furchtbar und ängstigend ist. Und weil sie mir helfen, zu klagen und mein Leid heraus zu schreien, und zu bitten und zu flehen, und mich nicht mit dem Schweren abzufinden. Und dann helfen sie mir, die Hoffnung zu bewahren. Und manchmal eben auch in dem Leiden und in der Angst Frieden zu finden.
Denn Beten hilft. Auf jeden Fall, indem es die Hoffnung stärkt. Es hilft, indem es die Klage und den Schmerz und die Angst von innen nach außen bringt und mir damit etwas Abstand von meinen Gefühlen ermöglicht. Und Beten hilft auch manchmal dadurch, dass Gott meine Gebete erhört und mir schenkt, worum ich ihn bitte.
Das passiert manchmal und manchmal passiert es nicht. Dietrich Bonhoeffer sagt dazu: Gott erfüllt nicht alle unsere Bitten, aber er erfüllt alle seine Verheißungen. Ich darf also durchaus darauf Hoffen, dass Gott meine Bitte erhört. Und manchmal erhört er sie eben anders als ich mir das gedacht habe. Manchmal wird es soviel besser als ich mir es je vorstellen konnte und manchmal bekomme ich einen anderen Blick auf die Situation und kann besser damit leben.
Aber wenn die Angst sich beruhigt und die Situation selbst nicht besser wird, dann ist das auch eine Gebetserhörung.
Überhaupt ist das so eine Sache mit den Gebetserhörungen. Ich muss erst mal überhaupt erkennen, dass es sich um so etwas handeln könnte. Manchmal ist es gar nicht so offensichtlich und es geht darum, wie ich eine Situation so deute. Man erkennt nicht immer gleich, wenn Gott geholfen hat. Denn Gott hilft ja oft durch andere Menschen. Und Gott heilt oft durch Ärzte und Krankenhäuser. Und dann ist die Frage, ob ich sage. Die Schmerzklinik hat mir gut geholfen, oder ob ich sage: Meine Gebete wurden erhört und ich habe weniger Schmerzen, weil Gott mir geholfen hat durch die Fachleute in der Schmerzklinik.
Als Jesaja zu Hiskija zurück kommt, sagt er: »Nehmt eine Paste aus Feigen und streicht sie auf Hiskijas Geschwür. Dann wird er gesund.
Trotzdem sagt Hiskija nicht, die Feigenpaste hat mich geheilt. Er sagt: In deiner Liebe hast du mein Leben vor Tod und Grab bewahrt.
Gott nicht nur zu bitten, sondern Gott auch zu danken, wenn es gut wird, auch das stärkt unsere Hoffnung und die Sicherheit in der Welt. Und es verstärkt unsere Freude darüber, dass es gut ausgegangen ist.
Aber wie ist es jetzt mit den großartigen und ungewöhnlichen Wundern? Gibt es so etwas? Kann Gott unheilbare Krankheiten heilen, wenn die Ärzte einen schon aufgegeben haben? Ja, sicher. Es gibt sogar einen medizinischen Fachausdruck dafür. Das heißt Spontanheilung. Und das ist sehr selten, aber es kommt vor. Also bei den großen Wundern ist es nicht anders als bei den kleinen alltäglichen Wundern. Bei den großen Heilungen von unheilbaren Krankheiten ist es nicht anders als bei den kleinen Erfahrungen, dass ein Gelenk plötzlich nicht mehr schmerzt und niemand weiß warum. Ein Wunder ist immer eine Frage der Deutung. Und eine Gebetserhörung nehmen wir nur wahr, wenn wir einen Zusammenhang zwischen dem Gebet und dem, was dann passiert herstellen. Ein Atheist kann immer sagen, das war doch nur Zufall. Und ein frommer Mensch kann immer sagen: Gott hat mir geholfen.
Wir können unsere Welt als etwas betrachten, das Gott in seinen liebenden Händen hält. Und wir können unser Leben deuten als: Gott hat eine Aufgabe für uns und führt uns unseren Weg zu dem Ziel, das Gott für uns bestimmt hat. Und das Ganze ergibt einen Sinn, den wir nur noch nicht überblicken. Und am Ende werden wir geborgen sein bei Gott und in seiner Liebe leben.
Oder wir können unser Leben deuten als: wir leben in einem zufällig entstandenen Universum, das auf den Kältetod zu taumelt als Lebenwesen, deren Leben keine Bedeutung und keinen Zweck hat, und die niemand beachtet.
Ich bin sehr entschieden für die erste, die religiöse Deutung. Und ich gehöre damit zur überwältigenden Mehrheit der Weltbevölkerung. Und deshalb werde ich weiter beten. Und wenn mir Gutes geschieht, Gott dafür danken, und wenn das Leben schwer wird, Gott um Hilfe bitten. Und ich werde sehen, wie Gott mir hilft, und ich werde ihm dafür wieder danken. Das ist das gute Leben. Und so sehe ich mein Leben – wohl wissend dass man es auch ganz anders sehen könnte. Aber das fände ich einfach zu deprimierend.
und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!