2 Sonntag der Passionszeit 28.2.21 Albrecht Burkholz

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde, das Wetter ist warm und es wird schon überall Frühling. Wir freuen uns auf Ostern. Wir sind besser gelaunt, wenn wir in der Sonne spazieren gehen können, trotz Corona. Die Gärtner denken an den Garten. Die Hoffnung wird gestärkt. Denn die nächste Ernte wird auch kommen. Wenn man jetzt Tomaten aussät, dann wird es im Herbst welche geben. Unsere Lebensgeiste nach der langen regnerischen und kalten Zeit werden wieder erweckt.

Wir freuen uns auf Ostern.

Aber vor Ostern kommt leider die Fastenzeit. 7 Wochen lang ist diese Passionszeit. Heute haben wir erst den 2. Sonntag dieser langen Vorbereitungszeit. Und die Bibeltexte und Lieder in dieser Zeit passen irgendwie nicht zu unseren Frühlingsgefühlen. Aber es hilft nichts. Wir müssen da durch. Wie durch eine Zahnbehandlung.  

Es kann erst richtig gut Ostern bei uns werden, wenn wir uns diesen schwierigen Bibeltexten stellen. Denn in unserem christlichen Glauben liegt die große Chance, dass wir uns zum Guten verändern. Aber diese Veränderung beginnt leider mit der schwierigen Selbsterkenntnis. Dann können wir etwas verbessern. Dann können wir anders handeln. Dann kann Gott uns verändern. Dann kommt mehr Segen in unser Leben. Mehr Segen, der uns hilft, mit dem Schweren in unserem Leben klarzukommen. Vor der Osterfreude kommt leider die Passionszeit. Die Zeit mit der schmerzhaften Selbsterkenntnis.

Kommen wir zu unserem Predigttext. Der Prophet Jesaja, vermutlich ein Priester in Jerusalem so ungefähr 730 vor Christus, hat Zugang zum Königshof. Einmal nach einem großen Tempelgottesdienst stellt er sich auf den Vorplatz und fängt an, ein Bänkellied zu singen. Ein Liebeslied vom Weinberg. Aber dann geht es merkwürdig weiter. Und nach dieser religiösen Kunstaktion waren eine Menge Leute sauer auf ihn. Aber es war wirklich ein toller Auftritt, von dem noch heute geredet wird.

Ich lese Jesaja 5,1-7

Ein Lied von meinem Freund will ich euch singen.

Es ist das Lied von meinem Freund und seinem Weinberg:

Mein Freund hatte einen Weinberg

auf einem fruchtbaren Hügel.

2Er grub ihn um, entfernte die Steine

und bepflanzte ihn mit den besten Weinstöcken.

Mittendrin baute er einen Wachturm.

Auch eine Kelter zum Pressen der Trauben hob er aus.

Dann wartete er auf eine gute Traubenernte,

aber der Weinberg brachte nur schlechte Beeren hervor.

3Jetzt urteilt selbst,

ihr Einwohner von Jerusalem und ihr Leute von Juda!

Wer ist im Recht – ich oder mein Weinberg?

4Habe ich irgendetwas vergessen?

Was hätte ich für meinen Weinberg noch tun sollen?

Ich konnte doch erwarten, dass er gute Trauben trägt.

Warum hat er nur schlechte Beeren hervorgebracht?

5Ich will euch sagen,

was ich mit meinem Weinberg tun werde:

Die Hecke um ihn herum werde ich entfernen

und seine Schutzmauer niederreißen.

Dann werden die Tiere ihn kahl fressen und zertrampeln.

6Ich werde ihn völlig verwildern lassen:

Die Reben werden nicht mehr beschnitten

und der Boden nicht mehr gehackt.

Dornen und Disteln werden ihn überwuchern.

Den Wolken werde ich verbieten,

ihn mit Regen zu bewässern.

7Wer ist dieser Weinberg?

Der Weinberg des Herrn Zebaot,

das sind die Bewohner von Israel.

Die Leute von Juda,

sie sind sein Lieblingsgarten.

Der Herr wartete auf Rechtsspruch,

doch seht her, da war Rechtsbruch.

Er wartete auf Gerechtigkeit,

doch hört nur, wie der Rechtlose schreit.

So viel Mühe hat sich der Weinbergbesitzer mit seinem Weinberg gegeben. Es ist ein fruchtbarer Hügel. Er gräbt ihn um und entfernt die Steine. Die legt er nebenan auf die Mauer. Mauer und Hecke und Wachturm sollen die Trauben beschützen. Er besorgt sich die besten Weinstöcke und pflanzt sie. Natürlich sorgt er für genug Wasser in seinem Lieblingsgarten. Eine Hecke neben der Mauer wehrt die wilden Tiere und die Menschen ab, die die Trauben klauen wollen. Er jätet Unkraut, damit Dornen und Disteln sich nicht ausbreiten können. Und dann im Herbst: schlechte Trauben. Wie kann das sein? Guter Boden. Soviel Mühe. Gute Rebsorte. Und dann das! Er ist empört und reißt alles nieder. Der ganze Aufwand war umsonst.

Jetzt, liebe Gemeinde, wird es etwas merkwürdig. Wenn Sie im Garten eine schlechte Ernte mit einem bestimmten Gemüse oder Obst oder Blumen haben, dann probieren Sie doch was anderes, oder? Man macht doch nicht den ganzen Garten kaputt, selbst wenn man mal zornig ist. Das haben wir doch im Lauf des Lebens gelernt, dass man nicht im ersten Zorn handeln sollte.

Der Prophet Jesaja sagt: der Weinberg seid ihr. Ihr, Gottes Volk. Und die Enttäuschung Gottes ist folgende: Rechtsspruch hat Gott erwartet und da war Rechtsbruch. Gerechtigkeit erwartet Gott und hört nur, wie der Rechtlose schreit.

Damit meint der Prophet, wie mit Witwen und Waisen umgegangen wird, mit Armen und mit Menschen, die nicht so hoch geachtet werden. Eigentlich sind die Bedingungen gegeben, damit alle gut leben können. Das Land ist fruchtbar. Gott hat gute Regeln gegeben und sein Volk gesegnet mit guter Ernte und Zugang zu Gott. Und trotzdem ist da so viel Ungerechtigkeit. Gott ist zu Recht zu zornig.

Mit dem Zorn Gottes über die Ungerechtigkeit im Land erklärt der Prophet die drohende Eroberung durch die Assyrer. Israel im Norden wird erobert, aber Juda mit der Hauptstadt Jerusalem kann sich noch über 100 Jahre halten. Vielleicht hat Jesaja dazu beigetragen. Ob es dann gerechter zuging in seinem Land, darüber wissen wir nichts. Aber diese biblischen Texte haben dazu beigetragen, dass wir heute einen Sozialstaat haben und es selbstverständlich finden, dass man Armen helfen soll. Das ist in Indien oder China nicht so selbstverständlich. Selbst in den USA ist es nicht so sehr eine staatliche Aufgabe.

Aber Hand aufs Herz, liebe Gemeinde, geht es heute bei uns gerecht zu?…

Ich vermute, dass jede und jeder von Ihnen gerade Ideen hat, was die vordringliche Ungerechtigkeit bei uns ist. Und wir sollten für Gerechtigkeit eintreten. Martin Luther, der vor 500 Jahren in Worms vor dem Kaiser stand und mutig sagte: „Hier stehe ich und kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“ ist uns darin Vorbild. Und der Name Protestanten war zuerst verächtlich gemeint, aber wir haben daraus einen Ehrennamen gemacht. Wir protestieren gegen die Ungerechtigkeit, wo wir sie sehen. Wir setzen uns als Wähler, Käufer, Leser, Fernsehzuschauer, Befragte in Umfragen für die Gerechtigkeit ein.

Aber wir schauen auch auf uns selbst. Wo können wir in unserer Umgebung dazu beitragen, dass Gottes Wunsch so gut wie möglich wirklich wird. Gottes Wunsch, dass alle möglichst gut leben können. 

Ich finde ja, als erstes tragen wir dazu bei, dass wir so gut wie möglich leben und dabei dankbar sind. Dass wir das Beste machen aus dem, was uns auferlegt ist. Dass von uns Entspannung ausgeht in einer sehr angespannten Situation. Also wenn jetzt alle in der Schlange stehen und sich vordrängeln und möglichst schnell geimpft werden wollen, dann können wir sagen: Bitte nach Ihnen. Ich habe jetzt so lange gewartet, ich schaffe es auch noch ein bisschen länger. 

In einer Situation, wo viele sich sehr empören, können wir vielleicht wahrnehmen und sagen, was gut läuft bei uns. Denn wir brauchen wieder mehr Vertrauen und Gemeinsamkeit.

Dazu können wir als Kirche beitragen. Indem wir z.B. Loblieder singen, obwohl die Coronazeit noch nicht vorbei ist. Zuhause dürfen wir ja schmettern: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren. Oder Großer Gott wir loben dich.

Ich ermutige uns alle, das Gottvertrauen nicht zu verlieren. Und vergessen Sie nicht, mitten in der Passionszeit zu lachen. Vielleicht einen Scherz zu machen, der die Lage entspannt. Denn das ist das, was wir heute dringendsten brauchen: Menschen des Vertrauens.

Und übrigens: Gott ist mehr wie wir. Er hat am Ende seinen Weinberg nicht kaputt gemacht. Dass die beiden Länder erobert wurden und viele in die Fremde verschleppt wurden, hat am Ende dazu geführt, dass der Glaube gestärkt wurde. Große Teile der Bibel sind in dieser Krisenzeit entstanden. Ich bin gespannt, was die Coronakrise an Gutem in unserer Gesellschaft und Kirche ermöglicht. Meine Frau hat unserer Kirchengemeinde einen großen Schub in Richtung moderne Welt gegeben mit den Videogottesdiensten. Und viele helfen dabei mit, dass wir als evangelische Christinnen und Christen in dieser Gesellschaft wirksam sein können. Notfalls mit Protest. Aber vor allem, indem wir Vertrauen, Hoffnung, Gelassenheit und nicht zuletzt Humor stärken. Der Auftritt des Propheten Jesaja hat viel Ärger ausgelöst. Aber es war auch ein toller Auftritt. Und viel später dürften auch einige drüber gelacht haben über dieses Liebeslied, das im Zorn endet. Aber damit ist die Geschichte nicht zu Ende. 2700 Jahre später suchen wir immer noch nach Rechtsspruch statt Rechtsbruch, nach Gerechtigkeit statt dass der Rechtlose schreit. Ich wünsche uns, dass diese alten Worte in uns wirken und gären wie ein schöner alter Wein. Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen, seligen Leben. Amen.

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