2. Sonntag nach Epiphanias, Albrecht Burkholz

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

die Infektionszahlen sind immer noch zu hoch und wir machen bis Ende Januar keine Gottesdienste in der Kirche. Es ist eine lange Zeit, diese Coronazeit. Es strapaziert die Geduld. Aber wir müssen nur noch ein wenig mehr Geduld aufbringen. Es ist absehbar, dass in ein paar Monaten viele geimpft sein werden und das Leben allmählich wieder normal werden kann. Vielleicht können wir schon anfangen, mitten in der Krise den Ertrag dieser Krise wahrzunehmen. Mir fällt auf, wie sehr ich Gottesdienste mit Singen vermisse. Zwar kann ich für mich singen an Klavier und Orgel, aber es ist nicht dasselbe. Ich verstehe wirklich nicht, wieso nicht viel mehr Menschen Gottesdienste in Anspruch nehmen. Vor Ort kann man Menschen treffen, denen die Sachen mit Gott und dem christlichen Glauben wichtig ist. Im Gottesdienst kann ich mich sammeln und bekomme Anregungen, über mich und mein Leben und meine Beziehungen nachzudenken. Von einem Gottesdienst geht die große Chance der Veränderung aus. Von einem Gottesdienst geht die Chance aus, dass ich meine Probleme klar benennen kann und anfangen kann, sie zu lösen. Und ein Gottesdienst macht mir klar: ich bin nicht allein mit meinen Problemen und meinen Fragen an Gott. Gemeinsam zu singen, die Lieder und die liturgischen Antworten, gemeinsam zu sprechen, das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser, gemeinsam zu hören, die Gebete, die Predigt, die Orgel, das stärkt die Gemeinschaft der evangelischen Christinnen und Christen vor Ort. Bald werden wir wieder richtig Gottesdienst miteinander feiern können. Und wir werden es wertschätzen, was wir damit haben.

Altbekannte Bibeltexte bekommen durch die Corona-Einschränkungen einen ganz anderen Hintergrund. Hochzeiten wurden verschoben. Feiern war unmöglich. Hören wir von der Hochzeit in Kana. Dem ersten Wunder Jesu nach dem Johannesevangelium. Ich lese Johannes 2,1-12

21Am dritten Tag

fand in Kana in Galiläa

eine Hochzeit statt.

Auch die Mutter von Jesus nahm daran teil.

2Jesus und seine Jünger waren ebenfalls

zur Hochzeitsfeier eingeladen.

3Während des Festes ging der Wein aus.

Da sagte die Mutter von Jesus zu ihm:

»Sie haben keinen Wein mehr!«

4Jesus antwortete ihr:

»Was willst du von mir, Frau?

Meine Stunde ist noch nicht gekommen.«

5Doch seine Mutter sagte zu den Dienern:

»Tut alles, was er euch sagt!«

6Dort gab es auch sechs große Wasserkrüge aus Stein.

Die Juden benötigten sie,

um sich zu reinigen.

Jeder Krug fasste zwei bis drei Eimer.

7Jesus sagte zu den Dienern:

»Füllt die Krüge mit Wasser.«

Die füllten sie bis zum Rand.

8Dann sagte er zu ihnen:

»Schöpft jetzt etwas heraus

und bringt es dem Festmeister.«

Sie brachten es ihm.

9Als der Festmeister einen Schluck davon trank,

war das Wasser zu Wein geworden.

Er wusste natürlich nicht,

woher der Wein kam.

Aber die Diener,

die das Wasser geschöpft hatten,

wussten Bescheid.

Da rief der Festmeister den Bräutigam zu sich

10und sagte zu ihm:

»Jeder andere schenkt zuerst den guten Wein aus.

Und wenn die Gäste dann angetrunken sind,

folgt der weniger gute.

Du hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.«

11Das war das erste Zeichen.

Jesus vollbrachte es in Kana in Galiläa.

Er machte damit seine Herrlichkeit sichtbar

und seine Jünger glaubten an ihn.

12Danach ging Jesus hinab nach Kafarnaum.

Seine Mutter, seine Brüder

und seine Jünger begleiteten ihn.

Sie blieben ein paar Tage dort.

Das erste Wunder ist so etwas wie eine Regierungserklärung des Reiches Gottes, das mit Jesus auf dieser Erde angefangen hat. Und das heißt: es kommt in unsererm Glauben nicht vor allem darauf an, dass wir moralisch sind. Klar, wir sollen nicht egoistisch sein und anderen helfen. Wir sollen nicht versinken in Konsum und Luxus. Selbstverständlich. Aber das erste und wichtigste ist. Wir sollen uns freuen. Wir sollen das Leben genießen. Wir sollen nicht fasten, sondern mit Jesus und seinen Freundinnen und Freunden eine Hochzeit feiern. Mit 600 Litern gutem Wein. Wir kommen ja bald in die Passionszeit und da gibt es die Aktion 7 Wochen ohne. Viele machen mit und verzichten z.B. auf Süßigkeiten oder Alkohol. Das ist wichtig und gut, denn wir müssen die Verhaltensweisen finden und uns angewöhnen, die uns wirklich gut tun. Damit wir das große Fest mit Jesus feiern können. Gesund und voller Zuversicht und Lebensfreude. 

Eine Hochzeit mit viel gutem Wein. Menschen, die sich nahe kommen. Gute Stimmung. Das ist der Inbegriff des Reiches Gottes. Ein Fest der Befreiung. Die Last fällt von unseren Schultern. Die Anspannung und Verkrampfung lässt nach. Wir dürfen es uns einfach gut gehen lassen. Wir dürfen einfach das Leben genießen. Was an der Welt gerettet werden muss, das ist morgen dran. Die vielen Verpflichtungen, das ist morgen dran. Heute ist nicht Sorgen dran, sondern feiern. Sorget nicht, sagt Jesus. Es ist genug, dass jeder Tag für seine eigene Plage sorgt. Wir alle tragen täglich Probleme und Sorgen mit uns herum, Ärger und das Gefühl, nicht genug Anerkennung und Liebe zu bekommen. Aber hier ist ein Fest. Wir sind eingeladen, einfach mit zu feiern. 600 Liter reichen für alle. Es ist mehr als genug für alle da. Da ist ein Überfluss. Ein Überfluss der göttlichen Liebe und Anerkennung. Von seiner Fülle haben wir genommen Gnade um Gnade.

Liebe Gemeinde,

was auch immer unsere Lebensfreude einschränkt, von Corona einmal abgesehen, das alle betrifft, ich wünsche uns, dass wir von dieser grundlegenden Sicht auf die Welt angerührt werden und befreiter mit dem umgehen, was schwer ist. Ich wünsche uns, dass wir dieses Weinwunder der Hochzeit von Kana in unser Leben hinein wirken lassen. Natürlich nicht, indem wir morgens Wein trinken. Oder abends zuviel.  Aber indem wir uns diese Geschichte vorstellen. Und wir stellen uns als Hochzeitsgäste vor und wissen: Gott meint es gut mit uns. Er will, dass unser Leben etwas von einem Fest hat. Von einem Fest der Befreiung. Einem Fest, bei dem es Überfluss gibt. Eine überströmende Feierstimmung. Ausgelassenheit. Menschen, die bisher wenig miteinander zu tun hatten, fangen an, sich näher zu kommen und sich zu verstehen.

Wir merken jetzt in der Corona-Zeit, wie sehr wir auf Begegnungen und Gespräche angewiesen sind. Deshalb ist es nur ein Notbehelf, dass wir Predigten per E-Mail verschicken oder als Youtube-Film. Wir pflegen unseren Glauben selbstverständlich zu Hause und jede und jeder für sich. Aber wir brauchen auch die Gemeinschaft der Gläubigen. Wir brauchen es, gemeinsam Gottesdienst zu feiern und davor und danach zu reden und vielleicht sogar sich zu verabreden. Wir brauchen es auch, dass wieder Gemeindegruppen im Gemeindehaus stattfinden können. Auch wenn da nicht direkt über Gott und Glauben gesprochen wird, sehen wir an unserer heutigen Geschichte, dass die göttliche Fülle da spürbar und sichtbar wird, wo Menschen sich verständigen und miteinander das Leben genießen.

Es ist deshalb gut und der Bibel entsprechend, dass das Mönchtum bei uns hier im Westen nicht so völlig asketisch war, also nur auf Verzicht und Sich Quälen ausgerichtet war. Zum Bild des Mönchtums gehört doch auch Wein oder Bier und gute Rezepte aus Klosterküche und Klostergarten. Martin Luther hat beides gelebt: dauernd fasten und beichten und dann nach seiner Erkenntnis, dass Gott sich uns freundlich zuwendet, auch wenn unsere Taten dem nicht entsprechen, wurde er einer, der gerne das Leben genossen hat. Martin Luther hat seine reformatorische Erkenntnis am Römerbrief gewonnen, aber er hätte sie auch an unserer Geschichte sehen können.

Heute in Corona-Zeiten sehen wir besonders scharf, wie viel freundliche göttliche Zuwendung in diesem ersten Zeichen Jesu aus dem Johannesevangelium steckt. Die Regierungserklärung des Reiches Gottes lautet: Feiert das Fest der Befreiung mit. Lasst euch befreien, indem ihr jetzt schon anfangt, frei und anders und gelingend zu leben. Unser Leitbild als Christen ist eine Hochzeit mit 600 Litern gutem Wein. Von Jesus selbst uns zum Feiern gegeben. Genießen wir die guten Gaben Gottes. Und bald, bald werden wir wieder richtig zusammen feiern können. Nur noch ein wenig Geduld brauchen wir. Das innere Bild für die große Feier, wenn Corona zu Ende ist, ist uns heute erzählt und ausgemalt worden. Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen, seligen Leben. Amen.

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