Buß- und Bettag 16.11.22

Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Gemeinde,

heute am Buß- und Bettag erreicht uns ein Weckruf aus der Offenbarung des Johannes. Der Verfasser ruft die Gemeinden, die verfolgt werden auf, durchzuhalten, der Verfolgung stand zu halten und sich zu Jesus Christus zu bekennen. Außer der Verheißung, dass Jesus Christus sich dann zu ihnen bekennen wird, ergeht auch die Ermahnung, sich nicht wegzuducken sondern zurückzukehren zu der ursprünglichen Botschaft.

Aber hören Sie selbst. Ich lese

Offenbarung 3,1-6

1»Schreib an den Engel der Gemeinde in Sardes:

›So spricht der,

der Macht über die sieben Geister Gottes hat

und der die sieben Sterne hält:

Ich kenne deine Taten.

Ich weiß, dass du in dem Ruf stehst, lebendig zu sein.

Aber du bist tot.

2Wach auf! Stärke die, die übrig sind

und fast gestorben wären.

Denn ich habe festgestellt, dass deine Taten

nicht vollkommen waren in den Augen meines Gottes.

3Denk doch daran,

wie du meine Botschaft empfangen und gehört hast.

Befolge sie wieder und ändere dich.

Wenn du nicht aufwachst,

werde ich so unerwartet kommen wie ein Dieb.

Und du wirst nicht wissen,

zu welcher Stunde ich gegen dich vorgehen werde.

4Aber es gibt einige Leute in Sardes,

die ihre Kleider nicht schmutzig gemacht haben.

Sie werden weiße Gewänder tragen

und mit mir zusammen auf dem Weg sein.

Denn sie sind es wert.

5Wer siegreich ist und standhaft im Glauben,

dem wird ein weißes Gewand angezogen.

Niemals werde ich seinen Namen

aus dem Buch des Lebens streichen.

Vielmehr werde ich mich vor meinem Vater

und vor dessen Engeln offen zu ihm bekennen.‹

6Wer ein Ohr dafür hat, soll gut zuhören,

was der Geist Gottes den Gemeinden sagt!«

Unsere Situation heute unterscheidet sich stark von der Situation, in der sich die Gemeinden des Johannes befanden. Als evangelische Kirchengemeinde Messel sind wir eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Wir befinden uns in einem auffälligen Gebäude mitten im Ort, dass so etwas wie das Wahrzeichen des Ortes ist. Aber selbst zusammen mit der katholischen Gemeinde stellen wir nicht mehr die Mehrheit der Einwohner Messels. Aber wir werden toleriert. Und die Gemeinde unterstützt uns zum Beispiel, wenn wir den Martinsumzug anbieten oder den Heimkehrerplatz für einen Gottesdienst brauchen.

Die Leute aus den Gemeinden damals konnten grundlos verhaftet und in der Arena den Löwen vorgeworfen werden. Wenn Johannes von ihnen verlangt sich zu Jesus Christus zu bekennen, sind sie damit ein anderes Risiko eingegangen als wir heute.

Trotzdem fällt es auch uns heute nicht so leicht, uns zu unserem Glauben öffentlich zu bekennen, obwohl wir nichts Schlimmeres zu erwarten haben als ein genervtes Schulterzucken oder eine unfreundliche Bemerkung. Oder Unverständnis, weil man so etwas Schräges tut, wie einen Gottesdienst zu besuchen und noch dazu mittwochs abends.

Es ist nicht so einfach, weil der soziale Druck heute nicht in Richtung Kirchenmitgliedschaft sondern in Richtung Austritt aus der Kirche geht. Und man leicht das Gefühl hat etwas Altem und Vergehendem verhaftet zu sein.

Unsere Ratsvorsitzende Annette Kurschus hat bei der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland gesagt: „Eine Kirche, die immer wieder erklärt, wozu sie da ist und gebraucht wird und wer und wie viele sie gut finden und warum, langweilt und verliert ihren Charme.“

Das finde ich auch. Wir müssen uns nicht rechtfertigen, dass wir noch in der Kirche sind, weil die Kirche soviel Gutes tut. Wir  müssen einfach nur zu unserem Glauben stehen und die Botschaft festhalten, die wir gehört haben, und sie befolgen. Genau wie der Verfasser der Offenbarung des Johannes der Gemeinde in Sardes befiehlt.

Habe ich gerade „einfach“ gesagt?

Ich gebe zu, das ist nicht einfach.

Vor allen Dingen, wenn unsere Freunde und zum Teil auch unsere Familie das nicht mehr selbstverständlich findet. Ja, es gehört Selbstbewusstsein dazu, sich hinzustellen und zu sagen: „Egal, was du glaubst und denkst, ich glaube an Gott. Ich finde es gut, in die Kirche zu gehen.“

Es ist auch deshalb so schwierig, weil natürlich auch zwei Seelen in meiner Brust sind. Auch ich bin nicht ohne Zweifel. Auch ich denke manchmal: „Gibt es Gott wirklich? Laufe ich nicht einer Illusion nach?“ Aber auch davon möchte ich mich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Diese Erfahrung sagt mir nämlich auch: Auch diejenigen, die im Brustton der Überzeugung bekennen: „Es gibt keinen Gott. Und nach dem Tod ist alles aus,“ haben möglicherweise auch in einer stillen Stunde mal Zweifel an dieser forsch vorgetragenen Überzeugung. Auch sie erinnern sich vielleicht einmal daran, dass sie das Gefühl hatten, da ist noch mehr als die Wirklichkeit, die mir vor Augen ist.

In mancher Hinsicht haben wir es heute auch schwerer als die Gemeinde in Sardes damals im römischen Reich. Die Menschen um sie herum haben zwar den Glauben an Jesus Christus abgelehnt. Aber sie waren keine Atheisten. Sie haben alle möglichen Götter verehrt und hatten praktisch alle eine Religion.

Heute sind selbst in muslimischen Ländern fast die Hälfte der Bevölkerung jeder Religion gegenüber skeptisch. Ich als Pfarrerin merke wie sehr die Leute Abstand von allem, was mit Religion zu tun hat, suchen. Wenn ich auf die Frage nach meinem Beruf antworte, dann tritt fast jeder einen Schritt zurück. Und manche gucken peinlich berührt zur Seite. Andere fangen an, sich zu rechtfertigen, weil sie aus der Kirche ausgetreten sind und wieder andere diskutieren mich auf die Spanische Inquisition an. Wenn ich dann sage, ich möchte hier einfach nur Boule spielen oder tanzen oder spazieren gehen oder Café trinken, entspannen sie sich etwas. Und wenn ich länger mit ihnen zu tun habe, beginnen die Scherze über meinen Beruf. Damit geht es mir dann schon besser. Und dann kann ich in scherzhaftem Ton auch mal was Inhaltliches zu meinem Beruf oder meinem Glauben sagen.

Ich finde es wichtig mir klarzumachen, wie schwer es den meisten Leuten fällt, sich den Themen des Glaubens anzunähern und gleichzeitig wie sehr sie das auf einer anderen Ebene interessiert.

Ich glaube, wenn wir, wie die Offenbarung des Johannes sagt, den Glauben an Jesus Christus festhalten und uns zu ihm bekennen, dann müssen wir uns klarmachen, in welches Spannungsfeld wir damit geraten. Und selbst für mich als Pfarrerin ist es schwer sensibel mit den Menschen umzugehen, die einerseits sich für den christlichen Glauben interessieren andererseits aber auch schnell davor flüchten möchten. Ich finde, wir als Kirchenmitglieder brauchen da viel Geduld mit unseren Mitmenschen und auch mit uns selbst. Und natürlich brauchen wir auch das Selbstbewusstsein und die innere Überzeugung, dass wir mit unserem christlichen Glauben einfach auch recht haben könnten und die Atheisten möglicherweise falsch liegen.

Ich habe in letzter Zeit mich damit befasst, Menschen die mir erzählen: „Es gibt keinen Gott!“ zu fragen: „Bist du dir sicher? Könnte es nicht auch anders sein? Und was wäre dann?“

Ich habe festgestellt das ist ein guter Gesprächseinstieg.

Und ich fühle mich dabei von der Offenbarung des Johannes ermutigt: Wenn wir standhaft im Glauben sind, dann sagt Jesus Christus uns zu: „Niemals werde ich deinen Namen aus dem Buch des Lebens streichen.

Vielmehr werde ich mich vor meinem Vater

und vor dessen Engeln offen zu dir bekennen.‹

Das ist ein Vertrag auf Gegenseitigkeit. Wir bekennen uns zu Jesus Christus. Und Jesus Christus bekennt sich zu uns. Und falls wir das einmal vergessen, dann können wir immer noch wieder dazu zurückkehren. Wie die Offenbarung sagt: Aufwachen und die Botschaft leben.

und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!

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