Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.
Liebe Gemeinde,
wir nähern uns dem Ende des Kirchenjahres. Wir durchleben die dunkle und traurige Zeit, in der es früh dunkel wird und wir in der Gefahr stehen in dunklen Gedanken zu versinken.
Mit dem heutigen Predigttext möchte ich Sie etwas aufheitern, hätte ich beinahe gesagt. Aber es geht nicht um Aufheitern, sondern darum in der Tiefe der Seele etwas zu finden, was die dunklen Gedanken vertreibt. Hören wir
Lukas 17, 20-24
20Die Pharisäer fragten Jesus:
»Wann kommt das Reich Gottes?«
Jesus antwortete:
»Das Reich Gottes kommt nicht so,
dass man es an äußeren Anzeichen erkennen kann.
21Man wird auch nicht sagen: ›Schau her, hier ist es!‹,
oder: ›Dort ist es!‹
Nein, das Reich Gottes ist schon da –
mitten unter euch.«
22Dann sagte Jesus zu den Jüngern:
»Die Zeit wird kommen, in der ihr euch danach sehnt,
unter der Herrschaft des Menschensohns zu leben –
nur einen einzigen Tag lang,
aber ihr werdet ihn nicht erleben.
23Die Leute werden zu euch sagen:
›Seht doch, dort!‹, oder: ›Seht doch, hier!‹
Dann geht nicht hin, lauft ihnen nicht nach.
24Denn wenn der Menschensohn an seinem Tag kommt,
wird es sein wie bei einem Blitz:
Unübersehbar leuchtet er auf,
von einem Ende des Himmels bis zum anderen.
Auf den ersten Blick erscheint dieser Text rätselhaft und widersprüchlich. Also habe ich ihn am Mittwoch dem Kirchenvorstand vorgelegt und die Kirchenvorstandsmitglieder gefragt, was dieser Text ihnen sagt. Spannend. Eine Kirchenvorsteherin meinte: Der Text richtet sich gegen Leute, die meinen die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und die denken genau zu wissen, wie das mit Gott und seinem Reich ist. Und mir ist aufgefallen, dass die Pharisäer fragen: „Wann kommt das Reicht Gottes?“ Aber Jesus beantwortet eine ganz andere Frage, nämlich: „Wie kommt das Reich Gottes? Und was ist das Reich Gottes?“ Die Antwort lautet: „Das Reich Gottes ist schon da, mitten unter euch.“ Und mit dieser Antwort konnte der Kirchenvorstand eine Menge anfangen. Das Reich Gottes ist eine Erfahrung in uns, die manchmal aufblitzt und man hat das Gefühl im Einklang mit allem, was ist zu sein und die ganze Welt zu lieben. Und dieses blitzartige ereignet sich möglicherweise nicht wieder und es ist unverfügbar. Dieses Erleben ist nicht alles. Vielmehr ist es höchstens ein Anfang. Und zwar ein nicht besonders offensichtlicher Anfang. Ein besonderer Glücksmoment, in dem die Zeit stehen zu bleiben scheint, ein Moment der Ewigkeit, in dem der wahre Sinn des Lebens aufscheint.
Und eine meinte: Spiritualität ist kein Spektakel. Sie geschieht in uns. Und es gibt kein Recht auf besondere Glücksmomente. Das Reich Gottes ist in uns. Aber ins uns ist auch eine Menge anderes. Zum Beispiel Wut und Ärger und Verletzung. Und die Leute rennen allem Möglichen hinterher.
Genau, fiel eine andere Kirchenvorsteherin ein: Immer denkt man: Wenn ich 10 Kilo weniger hätte, dann wäre alles gut, und dann noch 10 Kilo. Und wenn es dann so ist, merkt man, dass sich gar nichts geändert hat. Oder wenn ich dieses Haus hätte oder jenes Auto, dann wäre ich glücklich. Und wenn ich es dann tatsächlich habe, dann hält das Glück nur kurze Zeit und ich jage dem nächsten nach. Und dann ist immer nur Hetze und Enttäuschung. Dem wahren Sinn des Lebens kann man nicht nachjagen.
Und eine weitere erzählte: Ich bin als Kind mit meinem Onkel jagen gegangen. Wir saßen stundenlang auf dem Hochsitz und ich durfte mich nicht bewegen. Wir haben gelauert und gewartet bis mein Onkel den ersten Schuss abgeben konnte.
Vielleicht würde es bei dem Jagen nach Glück auch helfen einfach mal stehen zu bleiben und sich umzudrehen und dem Glück eine Chance zu geben, mich einzuholen. Beziehungsweise dem Reich Gottes zu erlauben sich zu zeigen.
Eine erzählte dann von der extrem hektischen Zeit in einem unterbesetzten Krankenhaus als der Oberarzt mittags sagte: „So und jetzt gehen wir alle eine halbe Stunde Mittag essen. Nur die Notbesetzung bleibt da.“ Und alle haben gemerkt, dieser Tag lief von da an besser als die Tage zuvor.
Jesus sagt zum Reich Gottes: „Das Reich Gottes ist schon da – mitten unter euch.“
Das heißt aber nicht nur, dass es in uns ist. Das Reich Gottes findet zwischen uns statt. Es ist etwas Gemeinschaftliches. Und wie alles Gemeinschaftliche ist es sehr verletzlich. Jesus sagt uns zu: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Ich glaube, diese Erfahrung kennen wir alle. Wir machen sie im Gottesdienst und wenn wir miteinander und füreinander beten oder wenn wir etwas zusammen unternehmen und danach zufrieden ins Bett fallen und wissen, das war ein schöner Tag. Als Menschen sind wir so eingerichtet, dass wir Glück und Sinn nur ausnahmsweise alleine erleben. Meistens finden wir es mit anderen zusammen.
Und genau da, wo wir zusammen sein und Gemeinschaftlichkeit so dringend brauchen in der Nachbarschaft im beruflichen Alltag in der Familie im Verein und in der Kirchengemeinde in Freundschaften, genau da ist die Gemeinsamkeit immer gefährdet. Gerade wo die Beziehungen eng sind und sehr gebraucht werden, drohen sie zu zerbrechen. Und dann neigen Gruppen dazu ihre Beziehungen zu stärken, indem sie sich stärker als nötig gegen Außenstehende abgrenzen.
„Das Reich Gottes ist mitten unter uns“, sagt Jesus. Aber wir können es nur wahrnehmen, wenn wir uns darauf verlassen, dass auch Jesus mitten unter uns ist. Jesus wirkt zwischen uns. Das ist seine Zusage. Das ist unser Glaube. Und wir werden die Wirkungen davon sehen. Wir werden das Reich Gottes zwischen uns wahrnehmen, wenn wir es hinter all unserem Ärger und all unseren schlechten Erfahrungen mit anderen und all unserer nicht vorhandenen Sympathie und unseren Vorurteilen hervorscheinen sehen. Das passiert immer wieder, zum Glück. Und dann merken wir: Die Person, die ich nicht besonders gut leiden kann, teilt mit mir den Glauben und ist genauso wie ich Teil des Reiches Gottes hier in Messel. Sie gehört genauso zu Jesus Christus. Und sie webt mit am Netz der weltweiten Verbindung des Reiches Gottes, in dem Jesus Christus im Mittelpunkt steht. Und wenn ich mir das klarmache, dann glaube ich nicht nur an die Zusage Jesu, dass das Reich Gottes mitten unter uns ist, ich handle auch entsprechend. Denn der wahre Sinn unseres Lebens besteht nicht in Regeln sondern in Beziehungen. Und genau die zu pflegen und zu schützen und zu bewahren ist so viel schwieriger als sich nur an Regeln zu halten. Denn dabei wird deutlich. Genau das habe ich nicht in der Hand. Bei Beziehungen hat der andere genauso viel zu sagen und tun wie ich. Da bin ich angewiesen. Genau wie ich nicht einfach Teil des Reiches Gottes werden kann, durch das, was ich glaube oder denke oder tue. Auch da bin ich angewiesen auf Jesus Christus, und dass er zwischen uns wirkt. Das ist meine Bitte und mein Gebet und ich bitte Sie auch dafür zu beten, dass Jesus Christus uns als Gemeinde und auch als Ort hilft zusammen zu stehen.
und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!