Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde, unser heutiger Predigttext ist ein Psalm. Also ein altes Lied oder ein altes Gebet. Die Sprache ist feierlich geprägt wie in einem Gedicht. Wir können uns einen Gottesdienst im Tempel in Jerusalem vorstellen. Wir befinden uns vielleicht im Jahr 500 vor Christus. Gott hat es ermöglicht, dass mit dem Sieg der Perser über die Babylonier Juden wieder in ihr Land zurückkehren können. Das hat große Hoffnungen geweckt. Aber die Wirklichkeit ist ärmlich. Nur wenige sind zurückgekommen. Die müssen mühsam wieder alles aufbauen. Und die Nachbarn legen ihnen Steine in den Weg.
Jetzt beten sie im Tempel. Der erste Schritt ist der Dank für das Zurückkommen.
Ich lese den ersten Teil aus Psalm 85:
Herr, du hast dein Land wieder lieb gewonnen
Und das Schicksal Jakobs zum Guten gewendet.
Du hast deinem Volk die Schuld vergeben
Und alle Sünden hast du ihm verziehen.
Du hast deinen ganzen Ärger aufgegeben
Und deinen glühenden Zorn verrauchen lassen.
Die Beziehung zu Gott, die gestört war, ist wiederhergestellt. Gott ist nicht mehr zornig. Das zeigt sich daran, dass das Schicksal des Volkes sich wieder verbessert hat.
Es ist hilfreich, das, was geschieht, aus der Gottesbeziehung heraus zu deuten. Dann kann ich mit Gott darüber reden. Dann kann ich Einfluss nehmen auf das Schicksal. Dann bin ich nicht hilflos ausgeliefert. Dann bin ich auf die Hilfe Gottes angewiesen. Und Gott lässt mit sich reden.
Ich bedaure all die Menschen, die nicht glauben und beten können. Denn wir Menschen sind zum Beten angelegt. Tief in uns drin sind wir zum Gespräch mit Gott fähig. Und wir haben das Bedürfnis danach, all das Unverstandene und Schwierige vor Gott zu bringen. Das zeigen all die vielen Gebete aus allen Ländern und allen Zeiten. Es gibt Gebetssammlungen mit den schönsten Gebeten aus aller Welt. Die können einem helfen, im Gespräch mit Gott weiterzukommen.
Im Gottesdienst im Tempel geht es weiter. Jetzt kommt die ärmliche Gegenwart in den Blick. Alles ist schwierig und mühsam und viel kleiner und langsamer als gedacht. Das Gebet geht also weiter.
Gott, du bist unsere Hilfe, stell uns wieder her!
Sei nicht länger so aufgebracht gegen uns!
Willst du denn für immer so zornig sein?
Soll sich dein Zorn noch ausdehnen von der einen Generation auf die andere?
Willst du uns nicht wieder neues Leben schenken?
Dann wird sich dein Volk über dich freuen.
HERR, lass uns doch deine Güte erfahren!
Wir brauchen deine Hilfe, gib sie uns!
Ein dringender Appell mit ganz viel Ausrufezeichen. Ein Hilferuf. Ein drängender Hilferuf. Voller Leidenschaft ist das Gebet. Die Not ist groß. Die Hilfe ist so nötig. Wenn Gott doch endlich helfen würde: dann wird sich dein Volk über dich freuen. Hilf doch endlich. Lass nicht noch eine weitere Generation im Elend und in der Not.
Wir merken noch heute, 2500 Jahre später, wie groß das Verlangen nach Gottes Hilfe ist. Mit ganzem Herzen, mit ganzen Gemüte und mit allem Verstand haben die Menschen damals gebetet. Das war nicht so nebenbei. Das war keine fromme Pflichtübung. Die ganze Hilflosigkeit kommt vor Gott, mit allen Gefühlen.
Wenn wir in einer ähnlichen Lage sind, dann können wir eigene Worte finden. Oder die alten Worte aus der Bibel oder dem Gesangbuch sagen. Manchmal helfen geprägte Worte zur Ruhe zu kommen. Also ein paarmal das Vaterunser innerlich zu sprechen. Oder bei einem Lied die Melodie mit zu denken. Aber am besten ist es, wenn all unsere Gefühle mit ganzer Kraft und eigenen Worten vor Gott kommen. Unsere Hilfsbedürftigkeit ist die Methode, wie Gottes Hilfe zu uns kommt.
Im Gottesdienst im Tempel geht es weiter. Ein Priester bringt die Zusage Gottes. Ein Priester spricht im Auftrag Gottes zu der versammelten Gemeinde. Ein großer hoffnungsstärkender Zuspruch wird zugesagt.
Ich will hören, was Gott zu sagen hat.
Der Herr redet vom Frieden.
Er verspricht ihn seinem Volk und seinen Frommen.
Doch sie sollen nicht mehr zurückkehren zu den Dummheiten der Vergangenheit!
Ja, seine Hilfe ist denen nahe, die zu ihm gehören.
Dann wohnt seine Herrlichkeit wieder in unserem Land.
Gott verspricht Frieden und Hilfe. Ja, seine Herrlichkeit soll wieder im Land wohnen. Gott sagt Hilfe zu. Und damit ermächtigt er die, die so leidenschaftlich gebetet haben, ruhig und zuversichtlich und hoffnungsvoll das zu tun, was jetzt dran ist. Gott ermutigt dazu, durchzuhalten, die Ruhe nicht zu verlieren, geduldig die Arbeit zu machen, einen langen Atem zu haben.
Und dann erinnert der Priester an all die großen Heilszusagen, die über die Gegenwart hinausblicken und von einer großen Zukunft reden. Da ist eine Hoffnung, die weit über die gegenwärtigen Mühen und Beschränkungen hinausweist. Da wird eine Zukunft ausgemalt, die ganz anders ist. Weil Gott ganz anders ist.
Güte und Treue finden zueinander.
Gerechtigkeit und Frieden küssen sich.
Treue wächst aus der Erde empor.
Gerechtigkeit scheint vom Himmel herab.
Auch schenkt uns der HERR viel Gutes,
Und unser Land gibt seinen Ertrag dazu.
Gerechtigkeit zieht vor ihm her
Und bestimmt die Richtung seiner Schritte.
Wenn Gott ganz nah ist, dann küssen sich Frieden und Gerechtigkeit. Das ist sprichwörtlich geworden. Denn eigentlich sind das oft Gegensätze.
Ich empfinde etwas als ungerecht. Aber um des lieben Friedens willen schweige ich. Dass beides da ist, Frieden und Gerechtigkeit, das ist selten. Die Großreiche haben immer behauptet, einen gerechten Frieden zu bringen. Aber von den unterdrückten Völkern am Rand aus sah das ganz anders aus. Gerechtigkeit ist sehr stark eine Frage der Perspektive. Und da sind wir normalerweise ziemlich blind und verstehen die andere Seite kaum.
Deshalb muss immer wieder darüber geredet werden. Im politischen Gespräch. In den Familien. In den Schulklassen.
Zwei Gefahren gibt es beim Thema Gerechtigkeit.
Manche Menschen trauen sich nicht, einen Standpunkt zu beziehen und zu sagen, was sie sehen. Dann geht ihre Perspektive unter.
Die andere Gefahr ist, dass Menschen bei jeder Ungerechtigkeit, die sie wahrnehmen, ins Kämpfen kommen und sich damit Dauerärger einhandeln.
Die einen brauchen Ermutigung zum Reden. Rede und schweige nicht, gibt es dafür als Konfispruch. Die anderen müssen Zurückhaltung lernen. Jage dem Frieden nach, gibt es dafür als Konfispruch.
Frieden und Gerechtigkeit küssen sich. Das ist ein tolles Bild. Ich habe meine Tochter, die Professorin für maschinelles Lernen ist und mit 18 Jahren Prädikantin geworden ist, gefragt, was ihr dazu einfällt. Und sie sagte: wenn Frieden und Gerechtigkeit sich küssen, dann wird der Krieg eifersüchtig. Und als zweites: wenn Frieden und Gerechtigkeit sich küssen, dann wird es langweilig für diejenigen, die es gerne etwas aufregender haben.
Damit ist etwas benannt, was die Rückseite des Wortes Frieden ist. Es klingt langweilig. Und wir Menschen haben Spaß an Kämpfen.
Wir Menschen haben Kampfwünsche. Vor allem ihr Jungs setzt die in Sport und Computerspielen um. Ihr Mädchen mehr mit Reden und Kämpfen um Beziehungen und Freundschaften. Das ist erst mal gute Energie. Und wir brauchen Kampfenergie, um erfolgreich zu sein. Wir müssen nur aufpassen, dass wir diese Kampfenergie letztendlich im Sinne des umfassenden Friedens einsetzen. Deshalb ist es gut, die Kampfenergie spielerisch umzusetzen. Bei Computerspielen. Bei sportlichen Wettkämpfen.
Frieden und Gerechtigkeit küssen sich. Das ist das große Ziel. Damit sind wir nie fertig. Was unser Predigttext hier verheißt, liegt in unser aller Zukunft. In dem Predigttext steckt ein Überschuss an Hoffnung. Da ist mehr Hoffnung, als die Gegenwart bieten kann.
Deshalb brauchen wir als Gesellschaft euch, liebe Konfis. Ihr als junge Menschen habt Hoffnungskraft und Veränderungskraft. Bringt die ein. Damit unsere Gesellschaft insgesamt auf den richtigen Weg kommt.
Der Psalm 85, unser Predigttext, ist in der Basisbibel überschrieben mit: Gott macht einen Neuanfang.
Immer wenn es Krisen gibt, empfehle ich diesen Psalm. Wir schauen zurück in die Vergangenheit: Gott hat uns geholfen und wir benennen, wie er uns geholfen hat.
Wir bitten für die Gegenwart. Voller Leidenschaft flehen wir zu Gott. Wir benennen, was war brauchen. Und wir schauen in die Zukunft. Gott sagt uns zu, bei uns zu sein und uns zu helfen. Deshalb kann unsere Hoffnung über die Probleme der Gegenwart hinausblicken. Wir können das Ziel im Auge behalten: Gottes Herrlichkeit wohnt unter uns Menschen. Frieden und Gerechtigkeit küssen sich. Und der Krieg soll in alle Ewigkeit gerne eifersüchtig sein, in der Ecke stehen und schmollen.
Wenn wir diesen Psalm 85 so durchlesen, durchdenken, durchbeten, dann sehen wir die Chancen, die wir jetzt haben und können sie nutzen. Wir können das Beste aus der Situation machen. Denn Frieden und Gerechtigkeit, die sich küssen – das ist ein Bild, das stark ist. Das bringt uns auf den Weg. Und auf dem Weg begleitet uns Gott, der uns näher ist als wir uns selbst nahe zu sein vermögen. Wir können ihm alles sagen. Mit unseren Worten. Und den geprägten Worten der Vergangenheit.
Und der Friede Gottes…