Exaudi 24.5.20 Albrecht Burkholz

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

die Corona-Lage bei uns entspannt sich. Jetzt ist fast das Hauptproblem die Angst vor der Zukunft und welche wirtschaftlichen Folgen diese Angst hat. Und wie wir die Wirtschaft zum Laufen bringen, ohne dass es dem Klima schadet und zu Ungerechtigkeit führt.

In dieser Situation warten wir auf Pfingsten. Das Fest, das ängstliche Jüngerinnen und Jünger, die sich in Jerusalem in einem Haus verkrochen hatten, zu geistesmächtigen Zeugen der frohen Botschaft gemacht hat. Das Ausgießen des Heiligen Geistes war mit Feuer und Wind verbunden. Der Wind der Veränderung hat geweht. Das Feuer  der göttlichen Liebe hat Menschen verändert. Plötzlich gab es eine Hoffnung mit ungeheurer verändernder Kraft. 

Aus dem kleinen verängstigen Haufen wurde eine Weltreligion. Aus denen, deren Anführer Jesus von der römischen Besatzungsmacht gekreuzigt worden war, wurden Menschen, die das Römische Reich überwinden konnten.

Pfingsten ist ein wichtiges Fest. Es kann uns mit dieser Kraft in Verbindung bringen. Einer ungeheuren verändernden Kraft. Einer Hoffnungskraft, die alles überwindet, was der Hoffnung entgegensteht.

Unser Predigttext heute stammt vom Propheten Jeremia, circa 580 Jahre vor Christus. Jeremia verheißt im Auftrag Gottes eine neue Verbindung zwischen Gott und Mensch, einen neuen Bund. Er beschreibt diesen Bund in einer Weise, die uns an Pfingsten denken lässt.

Ich lese Jeremia 31,31-34

31 Sieh, es kommen Tage, Spruch des HERRN, da schliesse ich einen neuen Bund mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda, 32 nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vorfahren geschlossen habe an dem Tag, da ich sie bei der Hand nahm, um sie herauszuführen aus dem Land Ägypten; denn sie, sie haben meinen Bund gebrochen, obwohl doch ich mich als Herr über sie erwiesen hatte! Spruch des HERRN. 33 Dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schliessen werde nach jenen Tagen, Spruch des HERRN: Meine Weisung habe ich ihre Mitte gegeben, und in ihr Herz werde ich sie ihnen schreiben. Und ich werde ihnen Gott sein, und sie, sie werden mir Volk sein. 34 Dann wird keiner mehr seinen Nächsten und keiner seinen Bruder belehren und sagen: Erkennt den HERRN! Sondern vom Kleinsten bis zum Grössten werden sie mich alle erkennen, Spruch des HERRN, denn ich werde ihre Schuld verzeihen, und an ihre Sünden werde ich nicht mehr denken. 

Der Prophet Jeremia hat gerade erlebt, wie sein Land Israel und die Hauptstadt Jerusalem von den Babyloniern erobert wurden. Für ihn heißt das: diese Katastrophe hat ihre Ursache im Ungehorsam gegenüber Gott. Gott hat das Volk aus der Sklaverei in Ägypten geführt. Gott hat ihm die Gebote am Gottesberg gegeben. Und ein Land, in dem Milch und Honig fließt. Und was hat das Volk Israel daraus gemacht. Immer wieder beklagen die Propheten, dass die Armen unterdrückt werden. Dass die Witwen und Waisen übervorteilt werden. Dass Richter bestochen werden. Das gerechte und gute Leben, das Gott für alle vorgesehen hatte – es ist von Gier und Missachtung kaputt gemacht worden.

Ein neuer Bund ist die Hoffnung. Gebote, die nicht von außen kommen, sondern im Herzen eingeschrieben sind. Niemand muss mehr die Gebote lehren. Alle haben ein ganz enges Gottesverhältnis und wissen deshalb Gier und Missachtung zu bekämpfen. Die Gerechtigkeit, die Gott wünscht, wird nicht mehr missachtet werden.

Wir Christen glauben, dass etwas von dieser Verheißung an Pfingsten wahr wurde. Und ja, das Christentum hat eine Menge Gutes gebracht. Dass wir heute in Europa Menschenrechte und Gleichberechtigung wichtig finden – das ist eine Folge davon.

Und doch müssen wir auch sagen: wir haben den Bund gebrochen. So viel Schlimmes und Ungerechtes gab es in der Christentumsgeschichte. Gier und Missachtung von anderen. Die Gerechtigkeit, die Gott sich für uns Menschen wünscht, das gute Leben für alle, wie wenig ist davon verwirklicht worden.

Wie wird es in Zukunft werden? 

Es gab Zeiten, die haben hoffnungsvoller in die Zukunft geschaut. Wir heute mit den Umweltproblemen und jetzt auch noch Corona – wir schauen sehr ängstlich in die Zukunft. Ein neuer Bund Gottes mit den Menschen, bei dem die alten Fehler nicht wiederholt werden, weil Gott näher an uns Menschen dran bleibt? Das ist weit weg von dem, was wir hoffen können.

Und doch ist das unser Predigttext für heute. Ein Pfingstfest wird  uns verheißen, das Gott näher in unsere Herzen und Beziehungen bringt. Ein Pfingstfest mit einer großen Hoffnungskraft.

Auch damals in Jerusalem hatten die ängstlichen Jünger keine Hoffnung und konnten sich so etwas gar nicht vorstellen. Auch die Menschen zur Zeit Jeremias haben ihm im Wesentlichen nicht geglaubt. Der Prophet hat die Worte Gottes gesagt und hat davon vor allem Ärger gekriegt. Die Klagelieder Jeremias, die wir in der Bibel finden, bezeugen das. Und doch hat diese Hoffnungsbotschaft vom neuen Bund Gottes ermöglicht, dass der Glaube durch die schwierige Zeit hindurch Bestand hatte. Die Worte von der göttlichen Botschaft in unseren Herzen, ganz nah, nicht wie ein steinerner Buchstabe auf Gesetzestafeln, haben gewirkt, bis heute. 

Wir wissen, dass Regeln von außen nur sehr begrenzt hilfreich sind. Man braucht auch äußere Regeln. Aber die sind nicht das Eigentliche, worauf es ankommt. Und wir müssen die Regeln immer mit dem Herzen deuten. Was dient jetzt der Menschlichkeit? Was fördert jetzt Vertrauen und Liebe und Hoffnung? Was ist zukunftsfähig für alle?

Sie wissen ja, dass Dienst nach Vorschrift eine Streikform für Beamte ist. Und dass es eine Menge alberne Regeln und Vorschriften gibt, das gilt sogar für die Kirche. Deshalb muss man immer nach dem Sinn einer Regel suchen. Die steinerne Regel mit dem Herzen deuten. Damit die Zukunft schon beginnen kann. Eine menschlichere Zukunft. Weil Gott näher ist an den Menschen. 

Der Gott nah bei den Menschen. Das ist Jesus. Jesus, der Menschen geheilt hat. Der Menschen Regeln gegeben hat, die viel Nachdenken und Ausprobieren brauchen. Und die wir nie vollständig umsetzen können.

Eine wichtige Regel Jesu ist die, sich erst an die eigene Nase zu fassen, bevor man ärgerlich den anderen verurteilt. 

Wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt still, Bruder, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen.

Das ist eine Regel, die ist in der Geschichte des Christentums ziemlich häufig verletzt worden. Menschen sind als Ketzer verfolgt worden, ohne dass man ihnen richtig zugehört hat. Evangelische und katholische und orthodoxe Christen sind miteinander sehr schlecht umgegangen und haben das Schlechte immer beim anderen gesehen. Zu selten bei sich selbst.

Wir können von unserer Geschichte her etwas dazu beitragen, dass unsere Gesellschaft heute nicht zerfällt. Wenn Menschen sich aufregen, ist das beste, erst mal zuzuhören und zu versuchen rauszukriegen, worum es ihnen eigentlich geht. Von uns Christen können hoffentlich andere Umgangsformen ausgehen, obwohl wir selbst ja ein Leben lang lernen. Wir sind Jüngerinnen und Jünger, mit Jesus unterwegs und ständig am Lernen. 

Und in den Mitchristen ist Jesus da und mit uns auf dem Weg. Der neue Bund ist uns ganz nah. In die Herzen geschrieben. Wir scheitern ständig. Aber die Menschen, die mit Gott unterwegs sind in der Bibel, scheitern eben ständig. Da sind wir in guter Gesellschaft.

Das Volk Israel hat es versiebt. So gute Bedingungen, ein Mose und ein Land, in dem Milch und Honig fließen. Und viele Propheten, auch Prophetinnen. Und trotzdem haben sie den Bund gebrochen, sind aus dem Gelobten Land verschleppt worden und doch ist die Geschichte Gottes mit ihnen bis heute nicht zu Ende.

Die Jüngerinnen und Jünger, die mit Jesus durchs Land gezogen sind oder ihn in den Ortschaften versorgt haben, stellen sich ziemlich doof an. Wenn wir das lesen, denken wir: so doof wäre ich nicht. Bis wir dann mal auf die Nase fallen und zu etwas mehr Selbstwahrnehmung gezwungen sind.

Der neue Bund ist da. Die Worte Gottes in unserem Herzen. Jesus in den Menschen um uns herum. Aber wir sind noch unterwegs. Unterwegs mit anderen Lernenden. Keiner hat die Weisheit mit Löffeln gefressen. Die Wahrheit ist eine Person, Jesus Christus. Und diese Person kommt in unser Herz, wenn wir es wollen, und verändert uns. 

Das brennt dann wie Feuer in unseren Herzen und verändert uns. Das gibt uns wirksame Worte in den Mund. Das ist ein Brausen des Windes zwischen uns, der die Verhältnisse zum Tanzen bringt. Weil da eine Hoffnung wider alle Hoffnung ist. Ein ungeheure Kraft. Eine Kraft zum Guten.

Möge es in diesem Sinne Pfingsten werden. In uns. Unter uns. Trotz uns.

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