Exaudi 29.5.22

Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Gemeinde,

Fragen Sie sich auch manchmal, was das Ganze mit dem Glauben und der Kirche und dem Beten und Gott soll? Ich frage mich das öfter. Manchmal denke ich, ich bin jetzt wirklich seit Jahrzehnten am Beten und Bibellesen und über Glaubensfragen nachdenken und was ist das Ergebnis? Im Grunde weiß ich immer weniger, was ich beten soll. Viele Bibeltexte klingen irgendwie vertraut aber wenn ich genauer hinsehe, verstehe ich immer noch nicht, was damit gemeint sein könnte. Ich fühle mich wie eine Anfängerin im Glauben und weiß nicht, ob sich das je ändern wird. Aber wie sich bei unserem heutigen Predigttext herausstellt, scheine ich mit diesen Problemen nicht alleine zu sein. Das finde ich ziemlich tröstlich. Ich lese aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom 8,26-30.

26In gleicher Weise steht uns der Geist Gottes da bei,

wo wir selbst unfähig sind.

Wir wissen ja nicht einmal, was wir beten sollen.

Und wir wissen auch nicht, wie wir unser Gebet

in angemessener Weise vor Gott bringen.

Doch der Geist selbst

tritt mit Flehen und Seufzen für uns ein.

Dies geschieht in einer Weise,

die nicht in Worte zu fassen ist.

27Aber Gott weiß ja, was in unseren Herzen vorgeht.

Er versteht, worum es dem Geist geht.

Denn der Geist tritt vor Gott für die Heiligen ein.

28Wir wissen aber:

Denen, die Gott lieben, dient alles zum Guten.

Es sind die Menschen,

die er nach seinem Plan berufen hat.

29Die hat er schon im Vorhinein ausgewählt.

Im Voraus hat er sie dazu bestimmt,

nach dem Bild seines Sohnes neu gestaltet zu werden.

Denn der sollte der Erstgeborene

unter vielen Brüdern und Schwestern sein.

30Wen Gott so im Voraus bestimmt hat,

den hat er auch berufen.

Und wen er berufen hat,

den hat er auch für gerecht erklärt.

Und wen er für gerecht erklärt hat,

dem hat er auch Anteil an seiner Herrlichkeit gegeben.

Wenn noch nicht mal Paulus wusste, wie er angemessen beten kann, dann muss ich das auch nicht wissen. Offensichtlich ist es ok, wenn es um die Sache mit Gott geht, ein paar unbeantwortete Frage zu haben. Und es ist in Ordnung, wenn man sich da vorsichtig ran tastet und keinen Plan hat. Gott ist groß und meine Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Das sieht nicht nur Paulus so, das ist normal, wenn man mit Gott zu tun bekommt.

Aber Paulus bleibt bei dieser Feststellung nicht stehen. Offensichtlich gibt es einen Zugang zu Gott, der unsere eigene Unfähigkeit etwas zu verstehen oder zu beten überwindet. Und das ist der heilige Geist. Wenn der heilige Geist in uns wirkt, dann wird unser Gebet angemessen. Wenn der heilige Geist in uns wirkt, dann verstehen wir zwar immer noch nichts aber das stört dann nicht weiter, weil eine Verbindung zu Gott entsteht, die uns hilft alles Schwierige hinter uns zu lassen, die uns verändert und die uns den Glanz Gottes erleben lässt. Und das ist Moment, wo die Fragen und die Zweifel in den Hintergrund treten, und wir zwar immer noch nicht wissen, was das alles soll, aber wir es auch nicht mehr zu wissen brauchen, weil die Gegenwart Gottes so offensichtlich ist und wir uns an ihr freuen können, weil alles was uns von Gott trennt überwunden ist.

Das klingt jetzt ziemlich theoretisch, aber genau das ist es nicht. Die Wirkung des heiligen Geistes ist gerade keine Theorie und nichts, was man sich theologisch ausdenken und dann abhaken kann, weil alles geklärt ist. Der heilige Geist, das ist lebendige Erfahrung, die uns ermutigt am Glauben festzuhalten und im Glauben weiter zu gehen. Ich weiß, ich begebe mich auf dünnes Eis, wenn ich versuche die heilige Geistkraft in uns zu beschreiben. Denn ganz wesentlich für die Wirkung des heiligen Geistes ist, dass der Geist weht wo er will und wir gerade nicht darüber verfügen können, wann und wo und in wem das stattfindet. Wir können bitten: Komm heiliger Geist und erfülle uns mit deiner Liebe oder Komm heiliger Geist und zeig mir den Weg oder einfach Komm heiliger Geist! Und wir können hoffen, dass dieses Gebet bewirkt, dass wir uns für Gottes Kraft in uns öffnen. Aber vorhersagen, was dann passiert können wir nicht.

Aber eines geht vielleicht noch. Wir können darauf vertrauen, dass Paulus sich auskennt und wir können darauf vertrauen, dass Gott so handelt wie Paulus es erfahren hat und wie er es hier schreibt: Gott hat uns berufen, für gerecht erklärt und Anteil an seiner Herrlichkeit gegeben. Der heilige Geist bewirkt das in uns, ob wir das nun wahrnehmen oder nicht. Und alle Dinge werden uns zum Guten dienen. Wir sind hier in der Kirche und setzten uns mit Fragen des Glaubens auseinander nicht weil wir uns das ausgesucht haben, sondern weil Gott uns dazu berufen hat. Also für mich fühlt sich diese Idee richtig an. Wo auch immer wir herkommen und was immer wir bisher falsch gemacht haben, das werden wir hinter uns lassen, weil Gott hat uns seine Gerechtigkeit geschenkt und unsere Fehler werden nicht weiter unser Leben bestimmen. Das finde ich befreiend. Und vor uns liegt und in uns entsteht die Herrlichkeit Gottes. Das ist der Wahnsinn, wenn Paulus recht hat. Ja, ich glaube, dass Paulus recht hat. Und tatsächlich erleben wir immer wieder Dinge, die das bestätigen. Wir erleben, dass unsere Gebete erhört werden und den Menschen, für die wir gebetet haben, Gutes widerfährt. Wahrscheinlich können Sie mir da mehr Beispiele erzählen als ich bis jetzt erlebt habe. Und mir erzählen Leute immer wieder wie sie wunderbar beschützt wurden. Erst kürzlich eine Frau im Alter von 95 Jahren. Sie war mit ihrem Sohn mit Rollator unterwegs und sie merkte, dass sie sich nicht mehr halten kann und gleich stürzen wird. Da war plötzlich eine Frau, die sie festgehalten hat. Und als sie sich wieder gefangen hat und sich bedanken wollte, war die Frau verschwunden.

Wir erleben die heilige Geistkraft aber nicht nur in äußeren Situationen. Wir erleben sie besonders, wenn in uns sich plötzlich oder auch allmählich sich etwas ändert, wenn die Verzweiflung verschwindet oder wenn eine Entschlossenheit in uns wächst und auch wenn da einen kurzen Moment die Gewissheit aufscheint: Ja, alles wird gut. Ja, Gott ist da und nichts kann uns aus seiner Hand reißen. Mir hilft es in schwierigen Situationen mich an solche Momente der Gewissheit zu erinnern. Da kann ich Jahre davon zehren. Und manchmal kommen diese Momente großen Glücks dann wieder. Und ich weiß wieder: Paulus hat recht. Gott hat uns Anteil an seiner Herrlichkeit gegeben. Das ist die Wirklichkeit in unserem Glauben. Und die trägt.

und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!

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