Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.
Liebe Gemeinde,
heute haben wir es mit einem sehr schwierigen Predigttext zu tun. Den hätte ich am liebsten sofort zur Seite gelegt und mir einen anderen gesucht. Aber die Erfahrung hat mich gelehrt, dass gerade in den Texten, die mir sehr gegen den Strich gehen, sich manchmal etwas Neues und Weiterführendes findet. Also dann ..
Ich lese Hebräer 5,7-9
7Als Jesus hier auf der Erde lebte,
brachte er seine Gebete und sein Flehen vor Gott –
mit lautem Rufen und unter Tränen.
Denn der konnte ihn vom Tod retten.
Und wegen seiner Ehrfurcht vor Gott
ist er erhört worden.
8Obwohl er der Sohn war,
hat er es angenommen,
wie ein Mensch durch Leiden Gehorsam zu lernen.
9So wurde er zur Vollendung gebracht.
Seitdem ist er für alle, die ihm gehorsam sind,
der Urheber ihrer ewigen Rettung geworden.
Das unangenehme Wort ist diesem Text für mich ist Gehorsam. Und dann auch noch der Zusammenhang. Durch Leiden Gehorsam lernen. Das hört sich für mich nach schwarzer Pädagogik an. Das Kind wird mit Strafen bedroht und solange bestraft bis es aus Angst gehorsam ist. Das ist nicht das, was ich mir unter einer guten Erziehung vorstelle. Dieser Text setzt voraus, dass es das menschliche Schicksal ist durch Leiden Gehorsam zu lernen. Das finde ich gruselig.
Nach meiner Vorstellung lernt ein Kind durch die gute und liebevolle Beziehung zu den erwachsenen Bezugspersonen, Rücksicht auf andere zu nehmen und sich einerseits in einen sozialen Zusammenhang einzufügen andererseits aber auch die eigenen Wünsche und Vorstellungen in diesen Zusammenhang einzubringen. Das ist das Ideal. So läuft es selten. Ich weiß. Aber trotzdem Gehorsam durch Leiden lernen. Das ist jetzt nicht wirklich eine gute Alternative.
Aber nehmen wir mal an, dieser Text meint etwas anderes, als ich auf den ersten Blick hier sehe. Meistens findet sich auch in schwierigen Bibeltexten so etwas wie eine weiterführende Weisheit. Was könnte die hier sein?
Also es geht um Gehorsam. Auch wenn das Wort zu recht keinen guten Ruf hat. Was könnte sich dahinter sinnvolles verbergen?
Die Beziehung zwischen einem Erwachsenen und einem kleinen Kind ist sinnvollerweise nicht gleichberechtigt. Die Aufgabe des Erwachsenen ist das kleine Kind vor Gefahren zu schützen, die es noch nicht erkennen kann. Die Erwachsene hat einen Vorsprung an Kenntnissen und das kleine Kind noch nicht genug Einsicht, um sich immer nach diesen Kenntnissen zu richten. Also macht es manchmal Sinn von dem Kind Gehorsam zu verlangen und ihm zu sagen: Vertrau mir, mach das so. Zum Beispiel: Diese Herdplatte ist heiß, du wirst dir die Finger verbrennen, wenn du sie anfasst. Es gibt Kinder, die probieren das dann aus verbrennen sich die Finger und merken: Das war sinnvoll, was meine Mama da gesagt hat. Ich sollte das nächste Mal auf sie hören. Das könnte man beschreiben als: Sie haben durch Leiden Gehorsam gelernt.
Was hat das jetzt mit der Geschichte von Jesus zu tun? Ich glaube der Hebräerbrief denkt hier an den Abend als Jesus mit seinen Schülern das letzte Abendmahl gefeiert hat. Nachdem sie das Danklied gesungen hatten, gingen sie zusammen auf den Ölberg. Jesus geht etwas von seinen Schülern weg, um zu beten und nimmt dazu Petrus Johannes und Jakobus mit und bittet sie mit ihm zu wachen. Er betet und weint und schwitzt Blut vor Angst und bittet: Gott, bitte lass den Kelch des Leidens an mir vorübergehen. Petrus Jakobus und Johannes schlafen ein. Und Jesus ist voller Angst. Und am Ende betet er: Bitte Gott, lass diesen Kelch an mir vorübergehen, aber nicht mein Wille sondern dein Wille geschehe.
Und er geht zurück zu den anderen. Und die Soldaten kommen. Und Jesus wird verhaftet.
Was ist hier passiert?
Jesus weiß, was ihm bevorsteht. Er weiß, dass er auf Leiden und einen grausamen Tod zugeht. Und er hat Angst und möchte dem Leiden gerne ausweichen. Aber er tut es nicht. Warum? Das sagt der Hebräerbrief: Wegen seiner Ehrfurcht vor Gott und wegen seiner engen und vertrauensvollen Beziehung zu Gott, dem er bedingungslos vertraut. Jesus hat in seinem Leben gelernt, dass Gottes Wege für ihn gut und richtig sind und dass er Gott vertrauen kann. Und auch wenn er vielleicht nicht versteht, warum das, was jetzt kommt, nötig ist, und auch wenn er es furchtbar findet und Angst davor hat, vertraut er darauf, dass es einen Sinn hat und dass Gott damit etwas erreichen wird, was er anders nicht erreichen kann. Also flieht Jesus nicht, sondern geht sehenden Auges in seinen Tod. Aus Gehorsam gegenüber Gott und aus der Erfahrung heraus, dass er Gott vertrauen kann und dass Gott besser weiß, was nötig ist als er selbst. Sich Gott sozusagen mit heißen Herdplatten besser auskennt als er.
Und er hatte damit recht. Denn Jesu freiwillige Entscheidung den Weg Gottes zu gehen, hat zu seiner Auferstehung von den Toten und zum ewigen Leben geführt und zwar so, dass auch wir den Tod nicht mehr fürchten müssen, denn so heißt es in unserem Predigttext: Seitdem ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber ihrer ewigen Rettung geworden.
Äh… ja, jetzt haben wir verstanden, dass Jesu Gehorsam gegenüber Gott gut war, denn so hat Gott ihn und uns aus dem Tod gerettet.
Aber leider geht es hier nicht nur um Jesu Gehorsam Gott gegenüber sondern auch um unseren Gehorsam Jesus gegenüber. Seitdem ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber ihrer ewigen Rettung geworden.
Wie gesagt: Ich finde Gehorsam eigentlich kein gutes Konzept für erwachsene Menschen. Mir ist es wichtig, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und selbst zu überlegen, was gut und was schlecht ist. Und ich lasse mir da nicht gerne von irgendjemandem reinreden.
Akzeptabel ist Gehorsam höchstens von kleinen Kindern gegenüber wohlmeinenden Erwachsenen.
Ach, ich glaube, damit habe ich den Punkt. Vielleicht lässt sich unsere Beziehung zu Gott tatsächlich gut mit der eines kleinen Kindes zu einem wohlmeinenden Erwachsenen vergleichen. Vielleicht ist Gehorsam gegenüber Gott oder gegenüber Jesus Christus tatsächlich sinnvoll, weil unser Verständnis der Welt und den Notwendigkeiten unseres Lebens tatsächlich sehr begrenzt ist. Wozu irgendetwas, was wir erlebt haben, gut war, erkennen wir meistens erst im Rückblick und häufig noch nicht einmal dann. Im Vergleich zu Gott haben wir tatsächlich nicht den Überblick. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin sehr dafür Fragen zu stellen und auch alles in Frage zu stellen. Denkverbote finde ich grundsätzlich falsch.
Aber manchmal lebt es sich einfach leichter, wenn wir vermuten, dass auch mit schwierigen Dingen, die uns begegnen Gott etwas Gutes bewirken möchte. Und manchmal ist sinnvoll Dinge hinzunehmen wie sie sind und zu hoffen und darauf zu vertrauen, dass Gott uns richtig und gut leitet.
Und manchmal ist es auch sinnvoll, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, und Dinge gerade nicht hinzunehmen wie sie sind, sondern im Namen Gottes dagegen zu protestieren und sich für eine Veränderung einzusetzen.
Und dann wie unterscheiden wir das?
Unser Predigttext beginnt mit: 7Als Jesus hier auf der Erde lebte, brachte er seine Gebete und sein Flehen vor Gott – mit lautem Rufen und unter Tränen.
Denn der konnte ihn vom Tod retten.
Das sollten wir uns merken. Gott kann uns retten, und Gebete können uns helfen zu entscheiden, was wir in einer bestimmten Situation tun sollen und tun können. Und Gehorsam gegenüber Gott ist immer sinnvoll, weil Gott den Überblick hat, der uns häufig fehlt.
und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!