Jesus streitet mit den Frauen 31.7.22 Albrecht Burkholz

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde, heute geht es darum, dass Jesus sich mit den Frauen streitet. Wir haben in der Lesung von Roland Marschner-Rebhan aus dem Johannesevangelium gehört, dass Jesus mit der Frau aus Samaria ein theologisches Streitgespräch führt. Seine Jünger wundern sich: er redet mit einer Frau. Er redet alleine als Mann mit einer Frau. Er redet mit einer Frau mit einer anderen Religion. Juden und die Menschen aus Samaria sind zerstritten. Sie sind sehr ähnlich, aber das macht die Gefühle nicht einfacher. Einmal, als ein Dorf in Samaria die Jünger nicht reinlassen will, bitten sie Jesus, Feuer vom Himmel über dieses Dorf regnen zu lassen. Deshalb ist es erstaunlich, dass Jesus mit dieser Frau aus Samaria tiefsinnige Gespräche führt.

Die Samaritaner oder Samariter stammen von den verlorenen 10 Stämmen Israels ab. Sie haben die 5 Bücher Mose, aber in einer anderen Überlieferung. Und ihr Heiligtum ist der Berg Garizim. Als der Tempel um 520 vor Christus wieder aufgebaut wurden, durften die Samariter nicht mithelfen, weil sie sich zu sehr mit anderen Völkern vermischt hatten. Im seelsorglichen und einfühlsamen Gespräch überwindet Jesus die große Grenze. Die Grenze, die wechselseitige Verachtung bedeutet. Und diese Frau wird zur Glaubenszeugin und bringt viele aus ihrer Stadt zum Glauben an Jesus. Der christliche Glaube überwindet Grenzen, diese Erfahrung haben die frühen Christen gemacht und das sehen wir hier in diesem Gespräch Jesu mit der Samaritanerin. Es ist ein Streitgespräch, weil Jesus bei seiner Wahrheit bleibt. Es ist ein einfühlsames Gespräch, weil Jesus nah bei ihr ist und auf ihre persönliche Situation eingeht.

Wenden wir uns der andere Geschichte zu. Astrid Römer hat sie aus dem Markusevanglium gelesen. Bei diesem Gespräch mit einer nichtjüdischen Frau mit Heilung der Tocher werden Jesu Vorurteile überwunden. Ja, Jesus ist ein typischer jüdischer Mann seiner Zeit. Er zieht in das Gebiet der Heiden, vielleicht weil es in seiner Heimat zu gefährlich für Propheten geworden war. Gerade war Johannes der Täufer, der Jesus getauft hatte, hingerichtet worden. Er zieht in das Gebiet der Heiden, aber er fühlt sich mit seinen Fähigkeiten zu seinem eigenen Volk gesandt. Die syrophönizische Frau im Gebiet des heutigen Libanon aber bringt ihn dazu, diese innere Grenze zu überwinden. Jesus sagt: man soll den Kindern nicht das Brot wegnehmen und vor die Hunde werfen. Die Frau antwortet: Aber die Hunde fressen doch sowieso von dem, was den Kindern nach unten fällt oder was Kinder vielleicht für die Hunde nach unten fallen lassen. Jesus lässt sich überzeugen. Von einer Frau. Das war damals wirklich ungewöhnlich. Die Tochter wird geheilt, ohne dass Jesus in das Haus der Frau geht. Ein Dämon, ein böser Geist, ist ausgefahren. Also vermutlich eine seelische Erkrankung. Auch die Frau wurde im Gespräch mit Jesus verändert und das hat das ganze Familiensystem heilsam verändert.

Es gibt noch eine andere bekannte Geschichte, in der Jesus mit seiner eigenen Mutter streitet. Bei der Hochzeit geht der Wein aus. Seine Mutter weist ihn darauf hin. Aber er weist sie schroff ab. Dann aber macht er doch etwas und verwandelt Wasser in Wein.

In allen Geschichten lässt sich Jesus von Frauen etwas sagen und nimmt sie als Gesprächspartnerinnen ernst. Das ist sehr ungewöhnlich in der damaligen Zeit. Und so hat das frühe Christentum auch große Erfolge bei Frauen. Es gibt neue Möglichkeiten für Frauen bei den Christen. Z.B. kann man auch ohne Ehe als Jungfrau oder Witwe ein wichtige Rolle in den christlichen Gemeinden haben. In den biblischen Geschichten sind Frauen selbstverständlich Trägerinnen der Botschaft, also eigentlich Apostelinnen. Das wurde dann allmählich nach hinten geschoben und versteckt und unwirksam gemacht. Aber in unseren Geschichten heute sehen wir, dass Jesus selbstverständlich Lehrgespräche und theologische Streitgespräche mit Frauen führt. Und sich selbst sogar verändern lässt. Sein Vorurteil gegenüber Nichtjuden wird überwunden. Und das Christentum ist ihm darin dann gefolgt und hat die Grenze zu anderen Völker überschritten.

Jesus hat also mit Frauen gestritten und dabei ganz Wichtiges von Frauen gelernt. 

Was lernen wir für heute aus diesen Geschichten?

Wo sind die Vorurteile, die bei uns überwunden werden müssen?

Mit wem müssen wir reden, um auf eine neue Spur zu kommen?

Wie kann zu uns etwas von dieser großen Erneuerung der Welt kommen, die mit Jesus verbunden ist?

Wir als evangelische Kirche und das Christentum insgesamt in der westlichen Welt ist schwach geworden. Ich wünsche mir etwas mehr Kraft nach außen. Menschen aus aller Welt kommen zu uns. Sie sollten bei uns einen christlichen Glauben sehen und lernen können, der hilft, in dieser Welt einen guten Weg zu gehen und zum Lösen der Probleme beizutragen.

Ich stelle mir vor: Jesus kommt in unsere Welt. Was würde er sehen? Mit wem würde er streiten und über was? Und wie würde er uns auf den Weg bringen?

Liebe Gemeinde,

ich stelle diese Fragen, aber ich habe keine Antwort darauf. Normalerweise stellt man in der Predigt eine Frage und beantwortet sie. Aber ich weiß es selbst nicht. Ich bin auf der Suche. Was ist die Form des christlichen Glaubens, die wir heute brauchen? Ich will mich nicht länger aufhalten lassen durch Gefühle des Niedergangs und des Ärgers über die Kirchenpolitik. All das bindet die Kräfte nach innen. Ich will von Jesus lernen. Welche Grenzen müssen wir heute überschreiten? 

Welche Streite müssen wir führen und was müssen wir dabei lernen?

Im christlichen Glauben ist eine große Kraft. Das erlebe ich immer wieder.

Als meine Mutter beerdigt wurde, habe ich gemerkt, wie stark unsere kirchlichen Formen sind, wie wirksam, wie hilfreich.

Viele Menschen haben heute wenig Zugang zu Bibel und Gesangbuch und kirchlicher Tradition. Das macht es schwer, aber vielleicht auch manchmal leichter. Denn die alten Vorurteile gegenüber der Kirche verflüchtigen sich. Nur fehlt manchmal das Interesse, die Vorurteile wenigstens auf den neuesten Stand zu bringen.

Ich lese gerade eine Autobiografie von Barack Obama, dem früheren US-Präsidenten, dem ersten und einzigen schwarzen US-Präsidenten. Was da eine ganz wichtige Botschaft ist: lass dir nicht von anderen einreden, wer du zu sein hast. Barack Obama hat eine weiße amerikanische Mutter und einen schwarzen Vater aus Kenia. Er ist also sowohl weiß als auch schwarz und von beiden Seiten gibt es Erwartungen. Er muss seinen eigenen Weg finden.

Für uns heißt das: wer wir sind, das muss etwas sein, das tief in uns verankert ist. Im Verhältnis zu Gott, der uns beim Namen gerufen hat. Wer wir sind, das gehört ins Gottesverhältnis und je mehr es dort verankert ist, desto weniger komme ich ins Wanken durch Angriffe von außen.

Ich finde, das kann man am Streiten Jesu sehen. Jesus ruht in sich. Er ruht in Gott. In seinem Verhältnis zu Gott. Gerade deshalb kann er sich im Streit mit einer Frau verändern lassen. Gerade deshalb kann er seine Vorurteile gegen Nichtjuden verändern lassen. Weil er in sich ruht. In seiner Gottesbeziehung sicher ist.

Für die evangelische Kirche könnte das heißen: macht keine hektischen Reformschritte, weil Unternehmensberater das sagen. Macht keine Politik aus Panik heraus. Ruht in Gott. In eurem Gottvertrauen. Vertraut darauf, dass Gott euch die richtigen Wege zum richtigen Zeitpunkt sagt. Und dass Gottes Segen wie ein Schutzraum ist, der euch auch durch Krisen hindurch führt. Seid offen, wenn euch der Heilige Geist durch Begegnungen verändern will. Dann hört hin. Auch, wenn die Worte von erstaunlicher Seite kommen und euch ärgern. Denn der Geist weht, wo er will und Gottes Wege sind unerforschlich. Seid euch nicht zu sicher in euren vorgefassten Meinungen. Vertraut auf Gott, der mit euch unterwegs ist. Die Sicherheit liegt nicht im Beharren auf euren Meinungen, sondern im Bleiben im Gottvertrauen.

Und der Friede Gottes..

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