Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.
Liebe Gemeinde,
wir leben jetzt ein Jahr mit Pandemie. Das Abstand halten geht uns auf die Nerven. Runde Geburtstage verstreichen, ohne dass wir feiern können. Menschen, die wir kennen, sterben und wir dürfen nicht zur Trauerfeier auf den Friedhof kommen. Alle sind gereizt. Die Nerven liegen blank. Und selbst denjenigen, die meistens lieber alleine sind, reicht es langsam. Und dann noch die Frage: Ist das jetzt nur eine Erkältung oder habe ich mich angesteckt?
Und ich will endlich wieder Leute nach dem Gottesdienst umarmen und ein Schwätzchen halten. Ja, wir leiden alle unter der Pandemie.
Aber das ist nichts im Vergleich zu Hiob. Wir haben es gerade in der Lesung gehört. Hiob hat all seine nahen Kontakte verloren. Seine Frau ekelt sich vor ihm. Wenn er aufsteht, wird er verspottet. Niemand hat Mitleid mit ihm, obwohl er so krank ist, alles juckt und er unter Schmerzen leidet. Mit Hiob können sich nur wenige unter uns vergleichen. Ein paar schon. Aber meistens haben wir nur Schmerzen und noch eine liebevolle Familie oder wir sind einsam aber weitgehend gesund.
Und was schleudert Hiob seinen Freunden entgegen, die ihn beleidigen und ihm erklären wollen, dass er an seinem Unglück selbst schuld ist:
„25Ich weiß ja doch, dass mein Erlöser lebt.
Als mein Anwalt wird er auf der Erde auftreten
und zum Schluss meine Unschuld beweisen.
26Mit zerfetzter Haut stehe ich hier.
Abgemagert bin ich bis auf die Knochen.
Trotzdem werde ich Gott sehen.
27Ich werde ihn mit meinen Augen sehen,
und er wird für mich kein Fremder sein.
So wird es sein, auch wenn ich schon halb tot bin.“
Hiob ist am Ende, verzweifelt, er kann nicht mehr. Und trotzdem beharrt er auf seinem Recht. Und trotzdem schleudert er Gott sein grundloses Vertrauen entgegen. „Ich werde Gott sehen, und ich kenne ihn. Er wird mir Recht geben.“ Und genau das geschieht dann auch im Laufe des Buches Hiob.
Ich finde, auch wenn wir im Vergleich zu Hiob nur kleinere Schwierigkeiten und Krisen zu bewältigen haben, so können wir uns doch von Hiob einiges abschauen. Zum Beispiel die Gewissheit, die sich in dem Satz ausdrückt: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“
Oder die Hoffnung in dem Satz: „Trotzdem werde ich Gott sehen. 27Ich werde ihn mit meinen Augen sehen, und er wird für mich kein Fremder sein.“
Alles was Hiob zustößt, schreit danach, Hiob dazu zu bringen, seinen Glauben aufzugeben. Aber das kommt für Hiob nicht in Frage. Er klagt, er schimpft, er fühlt sich ungerecht behandelt, er wehrt sich gegen seine Freunde. Er fordert Mitgefühl und Gerechtigkeit. Aber er hält an Gott fest. Er besteht darauf, dass Gott sich am Ende als gerecht erweisen wird. Und er weiß, dass es für ihn ein Ende dieses Leids geben wird, weil Gott ihn davon befreien wird.
Vielleicht würde uns etwas von Hiobs Starrsinn gut tun. Und vielleicht wäre auch so eine trotzige Haltung manchmal ganz gut.
Ich erlebe, dass kleine Orte wie Messel immer mehr Infrastruktur verlieren. Die kommunalen Leistungen werden teurer, weil die Vorgaben von oben sind: Kommunale Leistungen müssen kostendeckend sein. Und dann steigen die Kindergartenbeiträge und die Preise für die Trauerhalle und die Grabstätten. Die Familien müssen zahlen und die Witwen, die sowieso weniger Geld haben. Und dann wird es schwer in Würde Abschied zu nehmen und die Kinder länger in die Betreuung zu schicken. Durch solche Vorgaben von oben werden die kleinen und nicht so finanzstarken Orte benachteiligt – genau die gleiche Politik wie in der Kirche.
Ich erlebe es, wenn in unserer Kirche die neuen Hiobsbotschaften aus der Verwaltung oder aus der Synode kommen. Und ich lese ungläubig: Was, es sollen noch mehr Gemeindepfarrstellen gestrichen werden, wie bitte, die Gemeindehäuser in den kleinen Gemeinden sollen abgerissen oder verkauft werden. Und dann denke ich, natürlich, was sonst. Seit ich hier dabei bin, folgt die Kirchenpolitik der Kommunalpolitik. Ich sehe wie engagierte Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher Gemeinderätinnen und Gemeinderäte die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sich fragen, wer ihre Arbeit vor Ort noch will. Hier zeigt sich der mangelnde Respekt vor Menschen, die auf dem Land leben.
Und dann denke ich: Jetzt wollen wir doch mal sehen. Denen zeigen wir es. Der Druck wird bewirken, dass wir in den Kirchengemeinden und kleinen Orten näher zusammenrücken – über alle Parteigrenzen hinweg. Wir lassen es nicht zu, dass wir abgewickelt werden. Wir wohnen nicht umsonst in Messel. Erinnern Sie sich an den Kampf um die Fossiliengrube. Wir werden unseren Ort und seine Infrastruktur verteidigen. Und wir werden unsere Kirche verteidigen, die evangelische und auch die katholische und natürlich unsere Sozialstation.
Und das gilt nicht nur für unser Dorf als Ganzes sondern natürlich auch für uns als Einzelne. Wir werden durch unsere Leiden und Leidenschaften hindurchgehen. Und wir werden uns weiterhin auf Gott verlassen, auch wenn wir manchmal ein paar Zweifel haben. Und wir werden für unser Gemeinwesen und alle, die jetzt in den Gemeinderat gewählt wurden, beten. Und wir werden zusammen, etwas Gutes für unseren Ort und unsere Kirchen bewirken. Und jetzt ist Schluss mit Stress und Verzweiflung. Wir wissen, dass unser Erlöster lebt und diese Pandemie geht auch irgendwann zu Ende. Und wir werden bei Gott sein und ihn sehen und erkennen, ach so ist das! Und Gott wird uns auf die Schulter klopfen und sagen: Da und dort hätte es noch ein paar Verbesserungsmöglichkeiten gegeben, aber im Großen und Ganzen bin ich mit euch zufrieden. Und wir werden strahlen vor Freude.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!