Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.
Liebe Gemeinde,
jetzt ist der zweite Sonntag ohne Gottesdienst. Die Gemeinschaft fehlt mir, besonders das gemeinsame Singen. Wir sind alle aus unserem normalen Alltag gerissen worden und müssen unserer tägliches Leben neu sortieren. Für manche ist der Stress überwältigend geworden, für andere ist es zu ruhig. Alles ist anders. Wie interpretieren wir das, in das wir hinein geschleudert wurden?
Ich möchte ihnen dafür ein Angebot machen mit Hilfe des vorgeschlagenen Predigttextes des Sonntags.
Hebräer 13,12-14
12 Darum hat auch Jesus
außerhalb des Stadttores gelitten.
Denn durch sein eigenes Blut
wollte er das Volk heilig machen.
13 Lasst uns daher zu ihm hinausgehen vor das Lager.
Wir wollen die Schande auf uns nehmen,
die er zu tragen hatte.
14 Denn wir haben hier keine Stadt,
die bestehen bleibt.
Sondern wir suchen nach der zukünftigen Stadt.
Die ersten Christen haben die Erfahrung gemacht, dass ihr Glaube sie aus ihren normalen Beziehungen und alltäglichen Lebensformen hinaus katapultiert. Sie sehen sich damit in der Nachfolge Jesu.
Gerade verstehen wir das ganz gut.
Wenn ich bisher über das Leiden und den Tod Jesu nachgedacht habe, habe ich mir die Schmerzen am Kreuz, die Todesangst und die Verzweiflung vorgestellt. Ich habe nicht an das gedacht, was der Hebräerbrief hier erwähnt: Die Schande! Jesus wird gedemütigt, ausgeschlossen, verraten, aus der Gemeinschaft ausgestoßen und öffentlich nackt vor den Toren der Stadt aufgehängt. Er stirbt nicht nur einfach unter großen Schmerzen, er wird von den Menschen, zu denen er gehört, getrennt und verspottet.
Und jetzt sagt uns der Hebräerbrief: „Lasst uns zu ihm hinaus gehen. Wir wollen die Schande auf uns nehmen, die er zu tragen hatte!“
Bei der Idee läuft es mir kalt über den Rücken. Wo sollen wir die innere Stärke her nehmen, um so etwas Extremes zu tun? Wir erleben doch gerade jetzt wie wichtig die Gemeinschaft mit anderen Menschen für uns ist. Familien rücken zusammen. Wir rufen uns an. Wir stellen Kerzen ins Fenster, um uns gegenseitig Mut zu machen. Das Alleinsein frisst an unseren Seelen genauso wie das zu eng aufeinander hocken.
Und der Hebräerbrief fordert uns auf, unsere gewohnte Sicherheit zu verlassen, um Jesus zu folgen. Und er begründet es damit: „Denn wir haben hier keine Stadt, die bestehen bleibt. Sondern wir suchen nach der zukünftigen Stadt.“ Das worum es uns als Christinnen und Christen geht, liegt jenseits unserer normalen Bezüge. Nicht unser jetziges Beziehungsgeflecht sondern die zukünftige Stadt, das ist unsere Heimat.
Was die ersten Christen getan haben, sich aus ihren normalen Lebensformen hinaus zu begeben und sich auf den Weg in eine kommende bessere Welt zu machen, war gefährlich. Aber es war äußerst fruchtbar. Seitdem sie das getan haben, hat die Welt neue Werte und neue Möglichkeiten geschenkt bekommen. Der einzelne Mensch ist in einem Maß wichtig geworden, wie man es sich in der Antike nicht hätte vorstellen können. Durch den Mut der ersten Christen, sich auf einen neuen Weg zu begeben, haben wir heute gelernt, dass wir uns nicht immer anpassen müssen, sondern dass wir uns auch gegen die gesellschaftliche Macht stellen können.
Und wer hätte gedacht, dass wir das eines Tages wirklich tun würden? Wie jetzt gerade!
Ich bin überrascht über das, was bei uns gerade passiert. Noch vor wenigen Wochen hätte ich mir das nicht vorstellen können. Wir fahren unsere Wirtschaft herunter. Wir riskieren eine Wirtschaftskrise, damit ein paar Tausend überwiegend ältere Menschen überleben. Wir handeln völlig überraschend nach dem Wert: Jedes Menschenleben ist wichtig. Und wir vernachlässigen den Wert, von dem ich dachte, dass er über allem steht: Hauptsache die Wirtschaft brummt.
Liebe Gemeinde,
ich bin so unfassbar stolz auf uns. Wir sind zusammen nach draußen gegangen vor das Tor der Stadt und suchen nach der Gemeinschaft, in der jedes Leben zählt. Wir sind dabei die zukünftige Stadt zu finden. Die allermeisten machen mit. Sie halten Abstand, kaufen nur das, was sie gerade brauchen und kümmern sich um Kontakt per Telefon. Und das in einer Situation, wo viele von uns Angst haben, Angst ob ich mich anstecke, Angst ob die medizinische Versorgung funktioniert, Angst vor den Folgen für die Wirtschaft, Angst um den Arbeitsplatz, Angst darum, ob man sein Geschäft behalten wird. Und trotzdem versuchen wir uns Hoffnung zu geben und uns gegenseitig zu ermutigen. Und es scheint zu funktionieren. Ganz sicher ist es noch nicht. Aber es sieht so aus als wären wir erfolgreich dabei vielen Menschen das Leben zu retten.
Um Angela Merkel zu zitieren: Wir schaffen das tatsächlich. So viel Hoffnung wie gerade jetzt hatte ich noch nie. Ich bin ja eher der pessimistische Typ. Aber wenn wir das hinkriegen, dann können wir auch den Klimawandel in den Griff kriegen. Dann verbessern wir die Lebensbedingungen in der Zwei Drittel Welt weiter. Dann werden wir bald eine bessere medizinische Versorgung haben. Ja dann ist vieles möglich. Ich kann es kaum glauben. Wer hätte gedacht, dass wir mit so einer Krise so besonnen umgehen können. Ich bin immer noch fassungslos.
und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!