Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
wem vertraue ich? Wem kann ich vertrauen? Das ist die Frage, die uns unser heutiger Predigttext stellt. Maike Denk hat ihn gerade gelesen. Es ist ein Abschnitt aus dem 2. Petrusbrief, einem der spätesten Texte im Neuen Testament, vielleicht um das Jahr 100 entstanden. Immer noch ist Jesus nicht wiedergekommen. Das lässt manche zweifeln. Dazu sagt unser Predigttext im Namen von Petrus: wir haben es auf dem Berg selbst gesehen, dass Jesus verklärt wurde, in göttliches Licht getaucht wurde. Er gehört also zum Himmel. Er ist sehr mächtig. Wir können uns auf ihn verlassen. Ein weiterer Grund, wieso wir vertrauen können, ist das Wort, das jetzt in unseren Herzen leuchtet. „Denn dieses Wort ist wie ein Licht, das an einem dunklen Ort brennt- so lange, bis der Tag anbricht und der Morgenstern in eurem Herzen aufgeht.“
Wir können uns auf die christliche Botschaft verlassen. Es gibt Zeugen. Sie haben ein Geschehen miterlebt, das auf den Himmel verweist. Und diese himmlische Qualität zeigt sich in den Wirkungen auf uns. Das Wort über Jesus wirkt in uns und verändert, heilt und verbessert unser Leben.
Wir heute leben in einer Situation, in der der christliche Glaube angegriffen wird und immer schwächer zu werden scheint. Nicht weltweit, aber hier bei uns. Und das in einer Situation, wo wir keine Weltmeister im Glauben, sondern auch bei uns Zweifel und Sorge sich breit macht. Und nicht nur, dass wir keine Weltmeister im Glauben sind, wir sind keine vorbildlichen Heiligen, die beeindrucken. Wir sind ganz normale Menschen, denen der christliche Glaube wichtig ist. Aber wie können wir angesichts der ganzen schwierigen Geschichte des Christentums und angesichts dessen, dass es nicht sehr im Trend liegt, sich in der Kirche mehr als üblich zu zeigen, wie können wir dafür eintreten, dass dort etwas Wichtiges und Vertrauenswürdiges und für unsere Gesellschaft Heilsames zu finden ist?
Wie entsteht Vertrauen? Ich überlege mir, was ist eine seriöse Quelle. Ich vertraue einer Qualitätszeitung mehr als einer Boulevardzeitung. Ich vertraue den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern mehr als den privaten. Und v.a. im Internet überlege ich mir: von wem kommt das?
Ich habe Kontakt zu Menschen, die dem ganzen System misstrauen, wegen Corona neuerdings, aber vermutlich hat das schon längere Ursachen. Ich kann mich mit ihnen nicht darauf einigen, was eine seriöse Quelle ist. Und es gibt recht gut gemachte, scheinwissenschaftliche, emotional geschickt manipulierende Quellen, mit denen mich diese Menschen zuschütten, mit einer Energie als wenn sie auf einem Kreuzzug wären. Am Ende ist es eine Frage des Vertrauens. Wo gibt es wirkliche zuverlässige Fakten?
Wir leben in einer Welt, in der man manipuliert wird. Die Werbung lebt davon. Deshalb haben wir uns ein Grundmisstrauen antrainiert. Wenn mir jemand ein Haushaltsgerät mit dem Versprechen verkaufen will, dass dieses Gerät nie kaputt geht, dann glaube ich das nicht. Ich weiß, die Werbung macht unhaltbare Versprechen. Und sie nutzt psychologische Kenntnisse und spricht mich in den Tiefenschichten meiner Seele an. Dass wir sooft zum Smartphone greifen, hat mit viel Forschung zu tun: das Gerät fühlt sich gut an. Dass es Nachrichten in den sozialen Netzwerken gibt, spricht mein Belohnungssystem an.
Wir Menschen brauchen aber Glaube, Liebe und Hoffnung. Davon leben wir, das macht uns menschlich. Wir brauchen Vertrauen, ein Urvertrauen in die Welt, das uns unsere Eltern vermitteln, ein Selbstvertrauen, das uns Sicherheit gibt, Vertrauen in andere Menschen, das unterscheiden kann zwischen engen Beziehungen, normalen Beziehungen mit einem gewissen Abstand und fernen Beziehungen. In allen Beziehungen gibt es Streit. Wir lernen, damit umzugehen und den Streit auch zu beenden oder beiseite zu legen. Das lernen wir in den Familien, in Kindergarten und Schule, an der Arbeit, in den Vereinen und auch in der Kirche.
Wieso jetzt manche Menschen ein so grundlegendes Misstrauen entwickeln, dass sie zu Verschwörungstheorien greifen, das ist eine Frage, auf die man vermutlich eine Antwort in langen, vertrauensvollen Gesprächen finden könnte. Aber genau die sind ja jetzt kaum noch möglich, weil da so viel Misstrauen im System ist. Wenn mich jemand dauernd mit seinem Müll überschüttet, gehe ich auf Abstand und dann lohnt sich ja auch ein verständnisvolles Zuhören nicht mehr. Ich kann nur noch hoffen und beten und darauf warten, dass die Zeit Wunden heilt.
Weil in unserer Gesellschaft gerade so viel Misstrauen herrscht, ist unser Predigttext mit seiner Frage, wem wir vertrauen können, sehr wichtig.
Wir haben bei den Konfis gefragt: Wem könnt ihr vertrauen?
Eine Antwort eines Coaches war: für seelische Probleme dem Pfarrerehepaar. Und dem Ehemann. Und eine andere Antwort war: Vertrauen basiert auf Erfahrung. Wo habe ich mich verstanden gefühlt. Wer hat meine Geheimnisse für sich behalten.
Eine Beziehung zwischen Verliebten muss von den Schmetterlingsgefühlen sich hin entwickeln zu einem sehr grundlegenden Vertrauen. Vielleicht haben wir in unserer Gesellschaft so viel Misstrauen, weil zu viele Beziehungen nicht funktionieren.
Ich merke übrigens, dass es oft einen Tausch gibt: Vertrauen gegen Vertrauen. Wenn ich von mir etwas Schwieriges erzähle, ist es für meinen Gesprächspartner einfacher, auch etwas von sich zu erzählen. Insofern ist es gut, wenn wir als Menschen in der Evangelischen Kirchengemeinde Messel nicht nach außen darstellen, wie gut alles bei uns läuft, sondern wenn wir etwas von unseren Schwächen zeigen. Das kann dazu führen, dass andere auch etwas von ihren Schwächen zeigen können. Dann ist das Ganze weniger auf Selbstdarstellung und Konkurrenz ausgerichtet.
Wir als Kirche wollen dazu beitragen, dass in unserer Gesellschaft Glaube, Liebe und Hoffnung gestärkt werden. Und wir haben dazu etwas sehr wirksames beizutragen. Nicht etwas, das wir durch eigene Stärke beitragen. Sondern wir erleben mit, dass da etwas geschieht von Gott her. Etwas sehr Gutes. Etwas, das den Himmel auf der Erde aufleuchten lässt. Und wir merken es, wenn uns ein Licht aufgeht in unserem Inneren. Wenn ein Wort uns anspricht. Wenn eine Begegnung klappt. Wenn Verständigung gelingt, manchmal sogar über große Gräben hinweg, manchmal sogar zu Verschwörungstheoretikern. Was auch immer an Verbindung klappt, ist ein Licht in dieser Welt.
Lasst euer Licht leuchten, sagt Jesus. Das Licht kommt vom Himmel. Über ihn kommt es in unsere Herzen. Das Vertrauen wächst, weil da mehr geschieht, als wir im Griff haben. Und das ist gut so.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen, seligen Leben. Amen.