Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde, heute geht es um eine gute Leitung.
Was macht eine gute Leitung aus?
Was kann sie bewirken?
Wie können wir dazu beitragen, dass es gute Leitung gibt?
In unserem Predigttext geht es nämlich um Hirten, die ihre Aufgabe nicht erfüllen. Das Hirtenamt ist ein Bild für König und Priester und alle, die Macht haben und damit die Verantwortung dafür, dass es insgesamt gut läuft. Sie sollen sich um alle kümmern und für alle sorgen, aber sie kümmern sich nur um sich selbst. Sie sehen noch nicht einmal, wie sehr sie die am Rand vernachlässigen. Gott ist zornig und sagt: Gut, dann übernehme ich die Leitung. Ich werde für die Menschen sorgen.
Wir haben gerade den Predigttext aus Hesekiel 34,1-2.10-16.31 (Basisbibel) gehört, gelesen von dem Kirchenvorsteher Roland Marschner-Rebhan.
(Das Wort des Herrn kam zu mir. Du Mensch, rede als Prophet zu den Hirten von Israel. Ja, rede als Prophet und sag zu ihnen, den Hirten: So spricht Gott, der HERR! Ihr Hirten von Israel, ihr weidet euch ja selbst. Weiden Hirten sonst nicht die Schafe?
So spricht Gott, der HERR! Ich gehe gegen die Hirten vor und fordere meine Schafe von ihnen zurück. Ich sorge dafür, dass sie nie wieder Schafe weiden. Auch sich selbst werden die Hirten nicht mehr weiden. Ich befreie meine Schafe aus ihrem Rachen. Sie werden ihnen nicht mehr als Nahrung dienen. Ja, so spricht Gott, der HERR: Seht her, ich werde meine Schafe suchen und mich selbst um sie kümmern.12Ich mache es genauso wie ein guter Hirte, wenn seine Schafe sich eines Tages zerstreuen. Ja, so werde ich mich um meine Schafe kümmern. Ich rette sie von allen Orten, an die sie zerstreut waren – an dem Tag, der voll finsterer Wolken sein wird.13Ich führe sie weg von den Völkern und sammle sie aus den Ländern. Ich bringe sie zurück in ihr eigenes Land. Ich werde sie auf den Bergen und Tälern Israels weiden, an allen Weideplätzen des Landes. Ihr Weideland wird auf den hohen Bergen Israels liegen. Ja, ich lasse sie dort auf gutem Weideland lagern. Auf den Bergen Israels finden sie eine grüne Weide. Ich weide meine Schafe und ich lasse sie lagern. So lautet der Ausspruch von Gott, dem HERRN.
Verirrte suche ich und Verstreute sammle ich wieder ein. Verletzte verbinde ich und Kranke mache ich stark. Fette und Starke aber vernichte ich. Ich weide sie nach Recht und Gesetz.
Ihr seid meine Herde!
Ihr Menschen, ihr seid die Herde auf meiner Weide,
und ich bin euer Gott!
– So lautet der Ausspruch von Gott, dem Herrn.)
Damals mussten die Menschen weg von ihrem schönen Land. Die Leitung hatte Mist gebaut. Aber alle waren von der Katastrophe betroffen.
Wie ist das bei uns heute?
Ich bin unzufrieden mit der Kirchenpolitik. Ohne Not schwächt unsere Leitung die Ortsebene und damit die Wirksamkeit der Kirche. Wir werden weniger als Christen in dieser Gesellschaft. Aber diese Kirchenpolitik beschleunigt den Niedergang und das Schrumpfen. Dreiviertel der Gemeindehäuser und ein großer Teil der Pfarrhäuser sollen geschlossen werden. Dagegen gehen meine Frau und ich mit Leidenschaft vor. Vielen Dank allen hier in der Gemeinde, die uns unterstützen. Vielen Dank an alle, die unsere Unterschriftenliste „Hände weg von meiner Gemeinde“ unterschrieben haben. An dem einen Tag, Ostersonntag, haben fast 60 Menschen unterschrieben. Von 6 Personen in Messel haben wir die E-Mail bekommen, die diese an die Kirchenleitung als Protest geschickt haben und das hat uns sehr gefreut.
Eigentlich hat es sich immer gelohnt, in unserer Kirche Widerstand zu leisten. Weil wir zum Glück einigermaßen demokratische Verhältnisse haben. Und man hat zwar gewisse Nachteile, wenn man den Mund gegen die Leitung aufmacht, aber das, was einem passiert, ist sehr begrenzt und nicht wirklich schlimm. Es ist also nicht schwer heute gegen eine falsche Politik Stellung zu beziehen.
Das war damals vor 500 Jahren anders. Heute vor 500 Jahren stand Martin Luther auf dem Reichstag in Worms vor dem Kaiser und weigerte sich, seine Schriften zu widerrufen. Mit den berühmten Worten: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“
Damals wurde die Reichsacht über ihn verhängt und er war vogelfrei. Jeder durfte ihn damit ohne Strafe töten. Deshalb musste er als Junker Jörg auf der Wartburg untertauchen und hat in wenigen Monaten das Neue Testament ins Deutsche übersetzt und dabei die deutsche Sprache für die Zukunft geprägt. Mit diesem mutigen Widerstand hat Martin Luther die Welt für immer verändert. Und das war nötig, weil die Leitung damals versagt hat. Der Papst war in inneritalienische Streitigkeiten und große Kirchenbauvorhaben verstrickt und hat sich nicht für Gläubigen in Europa, deren Oberhaupt er war, interessiert. Die katholische Kirche war reformunfähig. Der Kaiser war zwar sehr mächtig, aber Staat und Kirche waren im Ringen um die Gestaltungsmacht über die moderne Welt, die gerade im Entstehen war. Und der Kaiser musste sich erst einmal um seinen Machterhalt gegenüber den osmanischen Reich kümmern und hat die Reformation zu spät wahrgenommen.
Wie sieht es heute aus mit der Leitung nicht nur in der Kirche sondern auch in unserem Land?
Ich finde, es ist zu sehen, dass wir die Coronakrise hoffentlich bewältigen werden. Die Politik wird sich auf Maßnahmen verständigen, die uns helfen werden, bis genug Menschen geimpft sind. Die Klimakrise steht dann als nächstes an. In vielen Bereichen könnten wir schneller und effektiver handeln. Und ja es ist schwer dabei zuzusehen, wie manche Politikerinnen und Politiker sich nicht um uns Menschen sorgen sondern ihre alten Grabenkämpfe ungebremst vor das Wohl aller stellen. Aber es gibt auch andere. Und manche streiten mit großem Sachverstand für gute Entscheidungen.
Aber insgesamt funktioniert vieles bei uns recht gut. Zum Glück haben wir eine Demokratie und man kann sich einbringen. Und ich bitte alle, sich einzubringen in das gesellschaftliche und auch kirchliche Gespräch. Bitte beteiligen Sie sich an der Kirchenvorstandswahl. Mitte Mai bekommen Sie ihre Briefwahlunterlagen. Die können Sie bis 13. Juni um 18:00 in den Briefkasten im Pfarrhaus werfen. Meine Frau und ich sind stolz auf unsere Kirchenvorstandskandidatinnen und Kandidaten. Sie haben wirklich eine gute Auswahl. Nehmen Sie ihr Wahlrecht wahr. Demokratie lebt davon, dass möglichst viele sich beteiligen. Leitung heute ist demokratisch. Und das heißt: alle haben Verantwortung. Und auch: Alle sollten mitbestimmen.
Manchmal scherzen Menschen mit mir: Da müssen Sie als Pfarrer für besseres Wetter beten. Ich sage dazu: wir sind evangelisch – da sind alle verantwortlich – auch für’s beten.
Also: Gott ist unser Hirte und kümmert sich um uns. Das ist ein gutes Gefühl. Wir sind nicht allein für alles zuständig. Und wir leben in einer demokratischen Gesellschaft und einer demokratischen Kirche. Also übernehmen wir auch im Auftrag Gottes unseren Anteil an der Leitung und dem Hirtenamt. Und dazu gehört, uns ab und zu selbst in Frage zu stellen und uns von Gott korrigieren zu lassen. Dazu gehört wachsam und einfühlsam wahrnehmen, was geschieht, und notfalls die Stimme dagegen zu erheben, indem wir unsere Sicht einbringen ins demokratische Gespräch. Und indem wir nicht den bequemen Weg wählen, sondern den verantwortungsbewussten. Indem wir nicht egoistisch sind, sondern für andere sorgen.
Ich wünsche uns Segen und Gelingen zu unsrem Hirtenamt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen, seligen Leben. Amen.