Nacht der Lichter

Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Gemeinde,

das Licht leuchtet in die Dunkelheit. Die Tage werden heller. Wir lassen die dunkle Zeit hinter uns. Darum geht es auch für die Gemeinden für die unser heutiger Predigttext ursprünglich geschrieben wurde. Sie haben den Text gerade als Lesung gehört. Der Seher Johannes ermutigt seine Gemeinden in schweren Zeiten durchzuhalten. Denn bald werden diese Zeiten vorbei sein. Und dann geschieht wunderbares. Das sagt Johannes voraus. Jetzt wird die Gemeinde verfolgt. Jetzt sterben viele. Sie werden in den Arenen ermordet zur Belustigung des Volkes. Aber bald werden sie dem Menschensohn begegnen, der alle Macht im Himmel und auf Erden in Händen hält, der der ihnen Gerechtigkeit widerfahren lässt, der aus dessen Mund ein zweischneidiges Schwert ragt. Und dieser wird diejenigen belohnen, die jetzt durchhalten. Und deshalb gilt den Gemeinden des Johannes die Verheißung:

Hab keine Angst.

Ich bin der Erste und der Letzte

18 und der Lebendige.

Ich war tot,

aber sieh doch:

Ich lebe für immer und ewig.

Und ich habe die Schlüssel,

um das Tor des Todes

und des Totenreichs aufzuschließen.

Johannes führt seinen Gemeinden die Macht Jesu Christi vor Augen. Es ist die Macht über den Tod. Und wenn man zu Jesus Christus gehört, dann kann der Tod einem nichts mehr anhaben. Wir können zwar sterben. Aber das ist nur ein vorübergehender Zustand. Jesus Christus wird das Totenreich aufschließen und uns heraus holen. Das war für die Menschen in den bedrohten Gemeinden damals, die der staatlichen Gewalt des römischen Reiches ausgeliefert waren, der grundlegende Trost.

Für uns ist das erst einmal ganz schön fremd. Als Personen, die in die Kirche gehen, begegnen wir zwar manchmal Unverständnis. Und Leute wundern sich, dass wir uns in der Kirchengemeinde engagieren und Kirchensteuern zahlen. Aber im großen und ganzen sind wir hier in Messel als evangelische Christinnen und Christen anerkannt und müssen keinen Ärger wegen unseres Glaubens befürchten. Die meisten finden, dass man in der Kirche doch etwas Soziales tut, was gut für das Gemeinwesen ist. Und manche sagen: „Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich auch bei euch mitmachen.“

Das unterscheidet uns heute hier von damals Smyrna. Und ich finde dafür sollten wir dankbar sein. In vielen Gegenden der Welt leiden Christinnen und Christen auch heute noch unter Verfolgung. Und wir sollten sie unterstützen und für sie beten. Gut, dass wir heute bei uns Religionsfreiheit genießen, und der Staat garantiert, dass nicht nur wir sondern auch alle anderen Gläubigen ihre Religion ausüben dürfen. Das ist ein großer Fortschritt gegenüber früheren Zeiten. Dafür sollten wir uns als Religionsgemeinschaft mit einer Geschichte, in der es Verfolgung gab, heute vehement einsetzen.

Es gibt aber auch Dinge, die uns mit den Christinnen und Christen damals verbinden. Und das ist die Angst vor dem Tod. Damals wurden die Menschen vom römischen Reich mit dem Tod bedroht. Das ist heute bei uns anders. Aber auch wir müssen einmal sterben. Auch wir haben Menschen verloren, die uns wichtig waren. Auch wir lieben Menschen, die der Tod uns nehmen könnte. Und deshalb werden auch wir getröstet von dem, was Jesus Christus sagt: 

Hab keine Angst.

Ich bin der Erste und der Letzte

18 und der Lebendige.

Ich war tot,

aber sieh doch:

Ich lebe für immer und ewig.

Und ich habe die Schlüssel,

um das Tor des Todes

und des Totenreichs aufzuschließen.

Auch wenn wir gerade vielleicht nur unter der Dunkelheit des Winters leiden. Die ultimative Dunkelheit wird keine Macht über uns bekommen. In unser Leben scheint ein Licht, das niemand löschen kann. Jesus Christus ist da, mitten unter uns. Jesus Christus ist der erste und der Letzte und der Lebendige. Und das Totenreich ist keine Bedrohung mehr für uns.

Aber das ist doch nur eine Vision eines antiken Sehers, könnten Sie jetzt einwenden. Es gibt so viele unterschiedliche Vorstellungen über den Tod und das Leben nach dem Tod. Wie kann ich sicher sein, dass das was Johannes Jesus in den Mund legt, auch wirklich so ist. Seit der Aufklärung hat sich die Vorstellung durchgesetzt, dass mit dem Tod alles aus ist. Wie kann ich sicher sein, dass der Tod mich und die Menschen, die ich liebe, nicht mehr bedroht? Wenn ich in Indien leben würde, dann wäre ich vermutlich davon überzeugt, dass ich wiedergeboren würde. Und dann wäre mein Ziel nicht, den Tod zu überwinden, sondern ich würde aus dem Kreislauf der Wiedergeburten aussteigen wollen und endlich ins Nirwana, das große Nichts, eingehen wollen. Hinduismus und Buddhismus sind auch alte Religionen mit überzeugenden Vorstellungen. Warum  soll ich glauben, dass Jesus Christus die Schlüssel des Todesreiches in Händen hält, und ich ewiges Leben bei Gott genießen werde?

Ja, in der globalisierten Welt ist es schwerer geworden, die Vorstellungen einer bestimmten Religion zu teilen. Aber andererseits lebten die ersten Christen im römischen Reich, auch einer Art globalisierten Welt mit vielen unterschiedlichen Religionen und unterschiedlichen Vorstellungen über den Tod und das Leben danach. 

Und trotzdem haben sie dich darauf verlassen, dass Jesus Christus sie aus dem Tod befreien wird. Trotzdem haben sie es riskiert in den Arenen des Reiches von wilden Tieren zerrissen zu werden. Trotzdem haben sie die Schande auf sich genommen, öffentlich verspottet und ermordet zu werden. Warum? Wo kam diese unerschütterliche Überzeugung her, dass der Tod ihnen am Ende nichts anhaben könnte?

Nun, ganz so heldenhaft waren nicht alle Christen in der antiken Welt. Viele haben sich entschieden, dem Kaiser Opfer zu bringen, und damit der Verfolgung zu entgehen. Aber anderes haben sich geweigert und sind lieber in den Tod gegangen. Warum?

Ich glaube es liegt daran, dass sie nicht mit kühlem Kopf abgewogen haben. Könnten die Mysterienkulte recht haben? Ist Zeus wirklich der Göttervater? Ist die Artemis von Ephesus wirklich die größte Göttin? Könnte Isis mir ewiges Leben garantieren?

Ich glaube, sie haben in ihren Gemeinden eine überzeugende Erfahrung gemacht. Sie haben die Nähe Jesu Christi erlebt. Sie haben am eigenen Leib den Trost erfahren, den der lebendige Gott spenden kann. Sie haben gemerkt: Ich bin Teil einer größeren Geschichte. Und ich kann dem Gott vertrauen, der Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Das war eine überwältigende unmittelbare Erfahrung, der sie nicht misstrauen konnten, obwohl sie nur eine Minderheit in ihrer Umgebung waren.  Sie haben das Licht gesehen – das Licht in den Menschen, mit denen sie zusammen Gottesdienst gefeiert haben. Und sie haben das Licht in sich selbst wahrgenommen, dass ihnen die Angst vor dem Tod genommen hat. 

Dieses Licht ist auch heute noch für uns zugänglich. Es ist sehr überzeugend. Die Nähe Jesu ist zugänglich im Glauben, im Gebet und in der Liebe. Das Licht, das Jesus Christus ist, erleuchtet unsere Herzen und gibt uns Kraft und Hoffnung, dass es den Tod überwinden wird. 

Aber es ist kein Beweis. Es löscht die Zweifel nicht aus. Es schützt uns nicht immer vor der Angst. Aber wir sehen es in vielen Menschen kurz bevor sie sterben. 

Und ich glaube, dass diese Erfahrung religionsübergreifend ist. Dass es in anderen Religionen andere Namen dafür gibt, andere Dogmen, andere Interpretationen. Und am Ende wird sich zeigen, was es ist und wie genau es ist. 

Und gerade auch unter diesem Gesichtspunkt finde ich die Vision des Johannes sehr überzeugend. Er malt nämlich nicht aus, was der Menschensohn tun wird, und wie es für uns da sein wird. Er zeigt uns einfach nur ein Bild der Macht, die den Tod überwinden wird, und dass diese Macht absolut vertrauenswürdig und zuverlässig ist. Lassen Sie uns die Angst vor dem Tod ablegen und für uns und für die Menschen, die wir lieben, darauf vertrauen, dass Jesus Christus die Schlüssel des Totenreiches in Händen hält. Und dass wir in ferner oder naher Zukunft ins Licht gehen werden, und die Dunkelheit uns nichts mehr anhaben kann.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!

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