Pfingstmontag 6.6.22

Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Gemeinde,

wir feiern Pfingsten das Fest des heiligen Geistes. Der heilige Geist erscheint in der Bibel aber nicht erst in der Pfingstgeschichte. Er oder vielmehr sie (das Wort ist im hebräischen weiblich) spielt schon im Alten Testament eine große Rolle. Die Prophetinnen und Propheten reden aus der Kraft des heiligen Geistes. Und auch Mose gehört zu den Propheten, die mit Gottes Geist begabt sind.

Unser heutiger Predigttext ist ein kleiner Auszug aus einer großen Geschichte. Gott hat Mose beauftragt, die Israeliten aus Ägypten zu befreien. Das ist gelungen. Und nun ist das Volk mit Mose in der Wüste auf dem Weg ins gelobte Land. Das Volk ist gut versorgt. Jeden Tag bekommt es Manna sammelt es ein und bäckt Brot daraus. Aber das reicht ihnen nicht. Sie protestieren und wollen Fleisch zu essen. Mose ist genervt. Gott ist sauer. Und hier beginnt unser Predigttext.

4. Mose 11:

11Mose fragte den Herrn:

»Was spielst du deinem Knecht so übel mit?

Warum bist du nicht auf meiner Seite?

Du hast mir das ganze Volk aufgeladen.

12Bin ich etwa seine Mutter?

Habe ich es zur Welt gebracht?

Wie kannst du da zu mir sagen:

›Trag es so fürsorglich auf deinen Armen,

wie man einen Säugling trägt!

Trag es in das Land,

das ich seinen Vorfahren versprochen habe!‹

14Ich kann diese Last nicht allein tragen,

sie ist zu schwer für mich.

15Bevor du das von mir verlangst,

lass mich lieber sterben!

Ich kann mein Elend nicht mehr mitansehen.«

16Da sagte der Herr zu Mose:

»Versammle vor mir 70 Männer

von den Ältesten Israels!

Sie sollen dir als Älteste des Volkes

und als Verwalter bekannt sein.

Bring sie zum Zelt der Begegnung!

Dort sollen sie sich zusammen mit dir aufstellen.

17Ich werde herabkommen und dort mit dir reden.

Ich will ihnen etwas von dem Geist übertragen,

den ich dir gegeben habe.

Dann können sie zusammen mit dir

die Last des Volkes tragen,

und du bist nicht mehr allein.

24Mose ging hinaus zum Volk und sagte ihm,

was der Herr angedroht hatte.

Er versammelte 70 Männer

von den Ältesten des Volkes.

Die stellte er rings um das Zelt der Begegnung auf.

25Da kam der Herr in einer Wolke herab

und redete mit Mose.

Auf die 70 Ältesten übertrug er etwas von dem Geist,

den er Mose gegeben hatte.

Sobald der Geist mit ihnen war,

redeten sie eine Zeit lang wie Propheten. Soweit die Textauswahl.

Zwischendurch geht es noch um das Fleisch und Gott antwortet, dass sie so viel Fleisch bekommen werden, dass es sie davor ekeln wird. Es landen riesige Mengen Wachteln im Lager, das Fleisch verwest und stinkt und die Leute werden krank. Und dann ist noch von zwei Männern die Rede, die zu den Auserwählten gehören aber nicht zum Zelt der Begegnung kommen. Auch sie bekommen den Geist Gottes. Und Josua der zukünftige Nachfolger von Mose regt sich darüber auf, dass sie im Lager profetisch reden. Und Mose antwortet, dass Gott jedem den Geist geben kann und man sich da nicht einmischen sollte.

Wenn ich die Geschichte moralistisch deuten würde, dann käme jetzt die Aufforderung weniger Fleisch zu essen oder sich vegetarisch oder gar vegan zu ernähren. Und ich würde erklären, dass die Gier nach immer mehr, wo wir doch gut versorgt sind, uns alle ins Verderben reißen wird. Und Wissenschaftler warnen ja auch davor, dass wir immer mehr Zoonosen bekommen, das heißt Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen überspringen. Die nächste Pandemie wartet schon auf uns.

Diese Übertragung der Geschichte ist angemessen. Aber ich mag keine moralistischen Predigten.

Es gibt auch die Möglichkeit die Geschichte anders zu deuten. Die für Pfarrpersonen und auch Politkerinnen und Politiker naheliegende Deutung identifiziert sich mit Mose: Der arme Kerl ist von seiner Leitungsaufgabe überfordert, weil die Leute für die er arbeitet, so undankbar sind. Immer wollen sie mehr und sehen nicht, was wir also Mose und Gott und wir Pfarrerinnen und Pfarrer und Politikerinnen und Politiker die ganze Zeit Gutes für sie tun. Es geht ihnen doch gut, aber nein sie wollen immer mehr, was wir ihnen einfach nicht besorgen können. Undankbares Volk! Das ist ebenfalls eine moralistische Übertragung. Habe ich schon erwähnt, dass ich so etwas nicht ausstehen kann, obwohl ich die Gefühle dahinter gut nachvollziehen kann.

Also kommen wir zu der dritten Deutung. Gott findet eine Lösung für das Problem der Überlastung des Mose und tut etwas gegen seinen Ärger. Er nimmt vom Geist, den er auf Mose gelegt hatte etwas und verteilt es auf 70 weitere Leute. Das heißt Gott sorgt dafür, dass die Aufgaben gerechter verteilt werden und Mose nicht alles alleine machen muss. Das ist doch klasse. Die Leitungsaufgaben werden demokratisiert. Mehr Leute beteiligt. In Zukunft läuft alles besser, weil der Anführer etwas von seiner Macht abgenommen bekommt. Alle sind jetzt zufriedener, weil sie auch etwas zu sagen haben. Hmm… Also demokratisch scheint mir das nicht zu sein. Es werden nicht 70 Älteste vom Volk gewählt. Sie werden von Gott ausgesucht. Und auch die beiden, die nicht wollen oder die andere nicht gewollt haben, die also entweder nicht informiert wurden, dass sie zum Zelt der Begegnung kommen sollen, oder die keine Lust auf die neue Aufgabe hatten und deshalb nicht zum Zelt der Begegnung gekommen sind, auch die beiden bekommen den Geist Gottes. Und das gefällt nicht allen. Mit der Neuverteilung des heiligen Geistes sind keineswegs alle Konflikte und Eifersüchteleien beendet. Es gibt sogar neue Auseinandersetzungen. Wie die Geschichte weitergeht: Mit genauso viel Ärger, falschen Entscheidungen und einem genervten Gott. Ach ja und im nächsten Kapitel wird vom Aufstand vor Miriam und Aaron den Geschwistern von Mose erzählt.  Hier wird deutlich, was Gottes Geist nicht ist. Nämlich die Lösung aller Probleme, die Garantie für Harmonie in der Kirche, das Ende von Machtkämpfen und Verteilungsfragen. Wenn der Geist Gottes das nicht leistet, warum brauchen wir die heilige Geistkraft denn dann so dringend? Warum feiern wir immer noch Pfingsten? Verteilungs- und Machtkämpfe gehören zum menschlichen Zusammenleben. Die werden wir nie los. In der Kirche nicht, in unserem Land nicht und weltweit erst recht nicht. Und wir werden uns immer über Ungerechtigkeit ärgern und von unseren Mitmenschen genervt sein, immer und überall. Unser Wunsch in Harmonie zu leben wird sich weder in Familie noch sonst wo erfüllen. An dieser Stelle müssen wir realistisch sein.

Und trotzdem feiern wir Pfingsten. Und trotzdem wirkt der heilige Geist in uns und unter uns. Das erste was, die heilige Geistkraft bewirkt, ist dass wir diese Rückseite menschlichen Lebens aushalten und uns mit ihr aussöhnen. Denn die heilige Geistkraft zeigt uns, dass auch das andere geschieht. Das Volk, das Mose aus Ägypten geführt hat, wird im gelobten Land angekommen. Sie werden in Freiheit leben. Mose schmeißt nicht alles hin, sondern Gott sorgt dafür, dass er entlastet wird als er nicht mehr kann und der Ärger zu groß geworden ist. Und für uns heute in der Kirche gilt: Trotz allem, was schief läuft und uns Sorgen bereitet: Gott ist gegenwärtig. Heute hier im Gottesdienst und auch in der leeren Kirche. Wir beten gemeinsam, und wir beten alleine zu Hause. Gebete werden erhört. Wir bekommen Mut und Kraft auch in Verbindung mit Menschen, die uns nerven. Und wir sehen eine Zukunft. Und ob sie uns gefällt oder nicht: Der heilige Geist bewirkt Glaube, Liebe und Hoffnung, mit uns durch uns und gegen uns. Das ist sicher. Darauf können wir uns verlassen.

und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!

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