Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde, dieser Sonntag heißt Misericordias Domini: die Gnade des Herrn. Gott sieht uns freundlich an. Gott verzeiht unsere Fehler. Deshalb können wir hinschauen wo wir Fehler gemacht haben. Wir können akzeptieren, dass wir fehlerhafte Menschen sind. Und so lernen wir im Glauben, Verantwortung zu übernehmen in dieser Welt. Weil wir wissen, dass wir fehlerhaft sind und die Gnade Gottes brauchen, deshalb können wir mit den Fehlern von anderen Menschen barmherziger, großzügiger, gelassener umgehen. Der christliche Glaube ist eine sehr gute innere Ausbildung und macht uns beziehungsfähiger und auch fähiger, unsere Verantwortung wahrzunehmen. Eine ganz wichtige Geschichte, die uns hilft, das zu trainieren, ist unser heutiger Predigttext. Wir müssen uns dazu in Petrus einfühlen. Petrus war der Wortführer der Jünger. Und dann hat er Jesus dreimal verleugnet, ehe der Hahn krähte. In der Nacht, als Jesus verhaftet worden war, hat er dreimal gesagt: ich kenne Jesus nicht. Das war klug, denn sonst wäre er vielleicht mitgekreuzigt worden. Das war feige, denn er hat Jesus, den er so verehrt und bewundert hat, im Stich gelassen. Als der Hahn krähte, erinnerte er sich, dass Jesus das vorher gesagt hatte. Ehe der Hahn kräht, wirst du mich drei mal verleugnen. Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.
Wenn auf evangelischen Kirchen der Hahn zu sehen, der Wetterhahn, der sich wetterwendisch im Wind dreht, dann ist das ein Vorwurf an die Päpste, die sich als Nachfolger des Petrus verstehen. Es ist aber auch die Erinnerung daran, dass wir fehlerhafte Menschen sind und auf die Gnade Gottes angewiesen sind, alle miteinander. Und dass wir nur so ausgebildet, wie Jesus es mit Petrus tut, Verantwortung und Leitung übernehmen können.
Dazu die heutige Geschichte. Ich lese Johannes 21,15-19
15Als sie gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus:
»Simon, Sohn des Johannes,
liebst du mich mehr als irgendein anderer hier?«
Er antwortete ihm:
»Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.«
Da sagte Jesus zu ihm: »Führe meine Lämmer zur Weide!«
16Dann fragte er ihn ein zweites Mal:
»Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?«
Petrus antwortete:
»Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe!«
Da sagte Jesus zu ihm: »Hüte meine Schafe!«
17Zum dritten Mal fragte er ihn:
»Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?«
Da wurde Petrus traurig,
weil er ihn zum dritten Mal gefragt hatte:
»Hast du mich lieb?«
Er sagte zu Jesus: »Herr, du weißt alles!
Du weißt, dass ich dich lieb habe!«
Da sagte Jesus zu ihm: »Führe meine Schafe zur Weide!
18Amen, amen, das sage ich dir:
Als du jung warst,
hast du dir selbst den Gürtel umgebunden.
Du bist dahin gegangen, wohin du wolltest.
Aber wenn du alt bist, wirst du deine Hände ausstrecken.
Dann wird ein anderer dir den Gürtel umbinden.
Er wird dich dahin führen, wohin du nicht willst.«
19Mit diesen Worten deutete Jesus an,
wie Petrus sterben und dadurch
die Herrlichkeit Gottes sichtbar machen würde.
Dann sagte Jesus zu Petrus: »Folge mir!«
Dreimal hat Petrus Jesus verleugnet. Dreimal fragt Jesus ihn nun nach seiner Auferstehung: Hast du mich lieb. Drei mal bekommt Petrus den Auftrag: sich um die Mitchristen zu kümmern, die neu entstandene christliche Gemeinde in Jerusalem zu leiten. Beim dritten Mal wird Petrus traurig. Da ist die Erinnerung stark an sein dreimaliges Verleugnen und das bittere Weinen danach, das ihn hinaus getrieben hat, weg von den anderen. Jetzt sieht er, wieviel Vertrauen er zerstört hat. Dreimal fragt Jesus ihn: liebst du mich und sieht im tief in die Augen. Die ersten beiden Antworten haben nicht genügt. Das ist schockierend und erschütternd für Petrus. Das wird er nie mehr vergessen.
Damals hat er aus Angst um sein Leben gehandelt. Er wünscht sich nun, er wäre nicht so feige gewesen. Jesus deutet zum Schluss an, dass er seinen Anteil am Leiden bekommen wird. Aber jetzt wird er zum Leiter der Gemeinde ausgebildet. Gerade weil er so vollständig versagt hat, ist er dafür geeignet. Er muss durch die Erinnerung an seine Fehler hindurch gehen. Er braucht es, dass Jesus ihm verzeiht. Dreimal muss er Jesus, den er im Stich gelassen hat, in die Augen sehen und ihm sagen: Ja, ich liebe dich. Das ist wahr, auch wenn mein Verhalten etwas anderes gesagt hat. Ich will mich in Zukunft anders verhalten.
Hat diese Ausbildung durch Jesus genützt? Wir wissen aus der Apostelgeschichte und aus den Paulusbriefen, dass Petrus sich gerne gestritten hat. Aber er hat wohl auch dafür gesorgt, dass die erste Gemeinde halbwegs zusammengehalten wurde. Bald haben sich in der frühen Kirche Verhaltensweisen eingeschlichen, die Jesus nicht gut gefunden hätte. Vielleicht war das unvermeidlich und wir wissen nicht, welchen Anteil Petrus daran hatte. Wir wissen nur, dass wir Christen immer wieder in die Bibel schauen müssen und uns selbst und die Kirche auf den Prüfstand stellen müssen.
Was wir an unserer Geschichte lernen: unsere Fehler helfen uns, uns im Glauben weiterzuentwickeln. Wenn wir sie denn sehen. Wenn wir sie vor Gott bringen und uns vergeben lassen. Wenn wir die Gnade Gottes nicht nur für uns in Anspruch nehmen, sondern auch für die, die uns ärgern. Dann können wir Verantwortung im Sinne Jesu übernehmen.
Wie erkennen wir unsere Fehler? Die Menschen, mit denen wir zu tun haben, sagen im allgemeinen, was los ist und was sie ärgert. Das muss ich mir nicht alles anziehen. Aber es ist hilfreich, wenn ich darüber nachdenke. Denn nur so kann ich mich weiterentwickeln. Wenn jemanden etwas ärgert, das kann ja an der Person liegen, die sich ärgert. Vielleicht ist sie heute morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden.
Oder aber jemand hat Erwartungen, die ich nicht in Ordnung finde. Gerade bei Ordnungsfragen oder Kleidungsfragen gibt es da sehr unterschiedliche Vorstellungen. In jeder Familie gibt es unausgesprochene Regeln und da gibt es dann manchmal Zusammenstöße der Regeln, ohne dass da jemand einen Fehler gemacht hat. Was wir heute als verwerfliches Verhalten betrachten, das ist nicht das gleiche, wie vor 20 Jahren. Und dann ändert sich das ja auch in anderen Zusammenhängen. Wenn ich in eine neue Schule komme, oder in einen neuen Verein, dann muss ich erst mal kucken: was gilt denn hier?
Also: wenn jemand etwas an mir auszusetzen hat, sollte ich darüber nachdenken. Ist das mein Fehler oder nur ein Missverständnis? Wenn es mein Fehler ist, was kann ich demnächst anders und besser machen? Kann ich jetzt den Fehler auffangen und mich z.B. entschuldigen und als Ausgleich etwas tun?
In der Kirche ist die wichtigste Regel das Doppelgebot der Liebe: Gott sollen wir lieben von ganzem Herzen und unseren Nächsten wie uns selbst. Das ist ein so großer Anspruch, da bleiben wir sicher drunter. Da fallen uns bestimmt genug Fehler ein, die wir bekennen können und für die wir um Vergebung bitten können.
In der katholischen Kirche gibt es ja den Beichtstuhl. Zu den großen Festen soll man eigentlich beichten, aber wie ich mitbekomme, hat sich das ziemlich verflüchtigt mit dem Beichten.
Bei uns in der evangelischen Kirche gibt es vor dem Abendmahl die allgemeine Beichte. Meine Frau oder ich fragen: Begehrt ihr die Vergebung der Sünden, so antwortet: Ja. Alle antworten Ja. Dann sprechen meine Frau oder ich die Vergebung zu und wir begehen das dann im Abendmahl. Denn Jesus hat gewusst, dass seine Jünger ihn im Stich lassen und hat deshalb das letzte Essen mit ihnen zu einem Vergebungsessen gemacht. Mit seinem Tod ist die Schuld der Jünger gegeben: sie haben ihn im Stich gelassen. Aber auch die Vergebung gehört dazu: Jesus sagt ihnen beim letzten Mal: ich werde den Wein wieder mit euch trinken, dort, bei Gott.
Wie können wir Christen an unseren Fehlern arbeiten und uns so im Glauben weiterentwickeln? Ich glaube, das wichtigste ist, anzunehmen, dass ich ein fehlerhafter Mensch bin. Ich bin auf die Barmherzigkeit angewiesen. Zum Glück ist Gott barmherzig. Wie ein guter Hirte. Das hat Jesus uns gezeigt. Und so können wir vergeben bekommen. Und so können wir selbst gute Hirten werden. Wo wir Verantwortung haben, können wir sie barmherzig, freundlich, gelassen ausüben. Wir sind fehlerhaft. Auch die, mit denen wir zu tun haben, dürfen fehlerhaft sein. Und wir alle brauchen die Barmherzigkeit. Die kommt von Gott und füllt unsere Herzen. Damit die Barmherzigkeit auch in unseren Beziehungen da ist.
Wir Christen haben das Leitbild des guten Hirten. Das ist unser Leitbild für alle, die Verantwortung tragen. Und das tun wir alle. Auch Konfis haben Verantwortung für ihre Familie, für sich selbst, für ihre Umgebung. Auch im hohen Alter haben wir noch Verantwortung. Wie wir über die Welt nachdenken. Was wir sagen. Wie wir handeln. Da sind unsere Fehler. Und da ist auch die große Barmherzigkeit.
Am Ende der 10 Gebote heißt es, dass die Fehler und ihre Folgen zwei bis drei Generationen dauern können. Aber die Barmherzigkeit Gottes dauert 1000 Generationen lang.
Ich wünsche uns allen, dass die Fehlerfreundlichkeit Gottes, die große Barmherzigkeitskraft, die uns heilt, verändert, segnet, auf den richtigen Weg bringt, in unserem Leben stark ist. Stärker als die Fehler.
Und der Friede Gottes…