Reformationstag 30.10.22

Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Gemeinde,

morgen feiern wir Reformationstag. Wir erinnern uns daran, dass Martin Luther in Wittenberg 95 Thesen gegen den Ablass an die Schlosskirche angeschlagen hat. Das war der Startschuss für die Reformation, aus der die Evangelische Kirche hervorgegangen ist. Überall in Deutschland vor allen in den Städten forderten die Bürger die Einführung der Reformation und evangelische Prediger. Viele Fürsten unterstützen diese Bewegung. Aber mit dem Papst und dem Kaiser hatte die Reformation mächtige Gegner. Im Ergebnis veränderte sich die Katholische Kirche in Abgrenzung zur Evangelischen. Es gab Intrigen, Kriege, komplizierte Politik bis Deutschland mehr oder weniger in katholische und evangelische Gebiete aufgeteilt war. Die Entwicklung der Reformation hat in Martin Luther viel Angst ausgelöst. Und diese Angst hat er in dem berühmten Kirchenlied, das wir gerade gesungen haben: Ein feste Burg ist unser Gott! Verarbeitet. Das Lied lehnt sich an Psalm 46 an. Dieser Psalm ist total ungewöhnlich. Er ist mir sehr nahe, denn der erste Vers davon ist mein Konfirmationsspruch. Ich lese

Psalm 46

2Gott ist für uns eine starke Zuflucht.

In höchster Not steht er uns bei.

3Darum fürchten wir uns nicht,

wenn die Fundamente der Erde schwanken

und die Berge mitten im Meer wanken.

4Sollen die Wellen doch toben und schäumen

und die Berge vor seiner Majestät beben! Sela.

5Frisches Wasser strömt durch die Kanäle

zur Freude der Menschen in Gottes Stadt.

Dort hat der Höchste seine heilige Wohnung.

6Gott ist in ihrer Mitte, darum wird sie nicht wanken.

Gott wird ihr helfen, wenn der Morgen anbricht!

7Völker toben, Königreiche wanken!

Lässt Gott seine Donnerstimme erschallen,

schwanken sogar die Fundamente der Erde:

8Der Herr der himmlischen Heere ist mit uns.

Der Gott Jakobs ist für uns eine feste Burg. Sela.

9Kommt und schaut die Taten des Herrn!

Er versetzt die Erde in Furcht und Schrecken.

10Auf der ganzen Welt macht er den Kriegen ein Ende.

Den Bogen zerbricht er, den Speer zerschlägt er

und Streitwagen verbrennt er mit Feuer.

11Hört auf zu kämpfen und erkennt: Ich bin Gott!

Ich stehe über den Völkern, ich stehe über der Welt.

12Der Herr der himmlischen Heere ist mit uns.

Der Gott Jakobs ist für uns eine feste Burg. Sela.

Können Sie es fassen, dass vor mehr als 2500 Jahren Menschen um das Ende aller Kriege gebetet haben und sich vorgestellt haben, dass Gott mit großer Macht alle Waffen zerstört?

Ich bin in den Zeiten des Wettrüstens zwischen den Blöcken aufgewachsen. Damals war es selbstverständlich, dass man Frieden nur erhalten kann, wenn man so stark wie der mögliche Gegner oder stärker bewaffnet ist. Hier dieser Psalm zeigt eine Alternative: Weg mit allen Waffen, Speere, Bögen Streitwagen. Die gewaltige Macht Gottes zerstört alles. Und die starke Stimme Gottes ruft den Menschen zu: Hört auf zu kämpfen und erkennt: Ich bin Gott.

Ich stelle mir vor als dieser Psalm in Jerusalem im Tempel gebetet wurde, da war Jerusalem eingeschlossen und wurde von mächtigen Feinden belagert. Die Erschütterungen der Mauern und Tore, die von den Feinden mit den Belagerungswaffen bearbeitet wurden, konnte man wahrscheinlich bis zum Tempelberg spüren. Jerusalem litt auch früher schon unter Wasserknappheit. Wahrscheinlich war das Wasser rationiert. Und die im Tempel versammelte Gemeinde war durstig. Und sie haben sich gewünscht, dass Wasser durch die Kanäle zur Freude der Menschen durch die Stadt strömt. Und natürlich haben sie auch gehofft, dass Gott eingreift die Waffen des militärisch überlegenen Gegners zerstört und die Einwohner der Stadt beschützt.

Das ist verständlich, denn damals war es genauso wie heute. Die Herrscher haben sich von Kriegen mehr Macht, Geländegewinne und Ähnliches versprochen. Aber für die normalen Menschen bedeuteten Kriege Not und Hunger und Schmerzen und Tote und den Verlust von Angehörigen und dass man die Ernte verloren hat und die Feinde plündernd und vergewaltigend durch die Orte gezogen sind.

Und trotzdem ist es erstaunlich, dass dieses Lied überliefert wurde. Diese großartige Vision vom Ende aller Kriege durch die Macht Gottes. Die Hoffnung dass Gott uns beschützen wird in all dem Chaos, das Kriege auslösen, und wir bei Gott sicher sind wie in einer uneinnehmbaren Burg. Ich bin immer noch erstaunt, dass Menschen damals gemeinsam vom Ende aller Kriege und der Zerstörung aller Rüstungsgüter gesungen haben und wir bis heute in unseren Gottesdiensten diesen Psalm beten.

Und wie aktuell dieser Psalm immer geblieben ist. Mitten im Chaos, mitten in großer Zerstörung, mitten im Mangel und Hunger und Durst wenden sich Menschen an Gott und vertrauen ihm, dass er helfen wird. Der Psalm drückt das Vertrauen aus, dass Gott uns beschützt und bewahrt und erhält und uns durch unsere Not hindurch hilft.

Wie kann das sein? Wo nehmen die Beterinnen und Beter des Psalms dieses Vertrauen her? Können wir heute Gott vertrauen während in der Ukraine und in Somalia und vielen anderen Gegenden der Welt die Kriege toben? Wie verhält sich solches Vertrauen zu den Bildern der zerstörten Häuser in der Ukraine?

Ich glaube, beides hängt zusammen. Der Psalm benennt die Erschütterungen und die Angst der Menschen in jedem Krieg sehr eindrucksvoll: Die Fundamente der Erde schwanken. Völker toben, Königreiche wanken. Alles ist unsicher. Nichts hat mehr Bestand. Es kann jeden treffen. Alle Selbstverständlichkeiten sind zu Ende. Das ist Krieg.

Und gegen diesen Schrecken setzen die Menschen, die diesen Psalm beten, ihr Gottvertrauen. Genau wie Martin Luther es mit seinem Lied: „Ein feste Burg ist unser Gott“ getan hat. Wir Gläubigen sind nicht naiv. Wir kennen die Schrecken wie alle anderen auch. Aber wir weigern uns, uns der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit hinzugeben. Wir hoffen weiterhin darauf, dass Gott helfen wird und dass Gott beschützen wird. Nicht weil wir denken, dass es keine Gefahr gibt, sondern weil wir uns der Gefahren sehr bewusst sind. Wir sind nämlich nicht sicher genug in der Welt, um uns leisten zu können, wie das Kaninchen auf die Schlange auf die möglichen Schrecken der Welt zu starren.

Wir brauchen das Gegenprogramm. Und das ist: Vertrauen, dass es weiter geht. Vertrauen, dass Gott stark genug ist, uns eine gute Zukunft zu geben. Vertrauen, dass das Gute sich am Ende durchsetzen wird und wir durch die Not hindurch ein Leben haben werden.

Als ich Konfirmandin war, ist meine Urgroßmutter gestorben. Ich habe sehr um sie getrauert. Unsere Familie hat in ihrem Haus gewohnt und sie war für mich der Rückzugsort, der mir Sicherheit gegeben hat. Zu ihr konnte ich immer gehen und bekam Bohnen mit Speck und durfte mich auf das Sofa setzen und mich ausruhen. Wie schwierig das damals für mich war diese Zuflucht zu verlieren, das hat der damalige Pfarrer wahrscheinlich begriffen und mir diesen Konfirmationsspruch aus Psalm 46 geschenkt: „Gott ist für uns eine starke Zuflucht. In höchster Not steht er uns bei.“ An dem haben ich mich in Krisen immer festgehalten. Der Satz war für mich tröstlich auch wenn ich immer wusste, dass das Leben gefährlich ist und alles mögliche schief gehen kann. Gerade deshalb wurde dieser Spruch so wichtig. Denn er hat die Hoffnung ausgedrückt, dass es ein Leben durch diese Krisen hindurch gibt und Gott da ist und mir hilft.

und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!

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