Sündenfall

Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Gemeinde,

Die Passionszeit hat begonnen. Wir gedenken des Leidens und Sterbens Jesu. Heute feiern wir Abendmahl, um uns klar zu machen, was Jesus für uns getan hat. Er hat uns von der Macht der Sünde befreit. Wir sind nicht mehr gezwungen, uns von Gott abzuwenden. Wir dürfen zu Gott kommen und in Verbindung mit Gott leben. Das ist ein Wunder. 

Unser Predigttext heute stammt aus der Urgeschichte. Die Urgeschichte versucht zu erklären, wieso die Welt so gewalttätig und verdorben ist, wie wir sie erleben, obwohl doch Gott alles gut gemacht hat. Diese Erklärung versucht eine der berühmtesten Geschichten aus der Bibel. Ich lese

1Mose 3,1-19, die Geschichte darüber wie die Menschen das Paradies verloren haben.

Die Schlange war das klügste

von allen wilden Tieren,

die Gott, der HERR, gemacht hatte.

Sie sagte zu der Frau:

»Hat Gott wirklich gesagt,

dass ihr von keinem der Bäume im Garten essen dürft?«

2 Die Frau erwiderte der Schlange:

»Im Gegenteil, wir dürfen davon essen.

3 Nur die Früchte von dem Baum,

der in der Mitte des Gartens steht,

hat Gott uns verboten.

Er hat gesagt:

›Esst nicht davon, berührt sie nicht einmal,

sonst müsst ihr sterben!‹«

4 Die Schlange erwiderte der Frau:

»Ihr werdet ganz bestimmt nicht sterben.

5 Gott weiß nämlich:

Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf.

Ihr werdet wie Gott sein

und das Gute und Böse erkennen.«

6 Da sah die Frau, dass dieser Baum köstlich war –

eine Augenweide und verlockend,

weil er Klugheit versprach.

Sie nahm eine Frucht, biss hinein,

gab ihrem Mann davon, und auch er aß.

7 Da gingen ihnen die Augen auf,

und sie erkannten, dass sie nackt waren.

Sie banden Feigenblätter zusammen

und machten sich Lendenschurze.

8 Als der Abendwind blies,

ging Gott, der HERR, im Garten umher.

Der Mann und seine Frau hörten ihn kommen.

Sie versteckten sich vor Gott, dem HERRN,

zwischen den Bäumen im Garten.

9 Gott, der HERR, rief:

»Adam, wo bist du?«

10 Der antwortete:

»Ich habe dich im Garten gehört und bin erschrocken.

Ich habe mich versteckt, weil ich nackt bin.«

11 Gott, der HERR, fragte:

»Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist?

Hast du von dem verbotenen Baum gegessen?«

12 Adam antwortete:

»Die Frau, die du mir zur Seite gestellt hast,

hat mir davon gegeben, und ich habe gegessen.«

13 Gott, der HERR, fragte die Frau:

»Warum hast du das getan?«

Die Frau erwiderte:

»Die Schlange hat mich dazu verführt,

und ich habe gegessen.«

14 Da sagte Gott, der HERR, zur Schlange:

»Du sollst verflucht sein, weil du das getan hast –

du allein von allen zahmen und wilden Tieren!

Auf dem Bauch wirst du kriechen

und Staub fressen dein Leben lang.

15 Ich stifte Feindschaft zwischen dir und der Frau,

zwischen ihrem und deinem Nachwuchs!

Er wird dir den Kopf zertreten,

und du wirst ihn in die Ferse beißen.«

16 Zur Frau sagte er:

»Jedes Mal, wenn du schwanger bist,

wirst du große Mühen haben.

Unter Schmerzen wirst du Kinder zur Welt bringen.

Es wird dich zu deinem Mann hinziehen,

aber er wird über dich bestimmen.«

17 Und zum Mann sagte er:

»Du hast auf deine Frau gehört

und von dem Baum gegessen.

Ich hatte dir aber verboten, davon zu essen.

Daher soll der Ackerboden deinetwegen verflucht sein!

Nur mit großer Mühe kannst du dich von ihm ernähren.

Und das wird dein ganzes Leben lang so sein.

18 Dornen und Disteln wird er hervorbringen.

Du aber musst von Feldfrüchten leben.

19 Im Schweiße deines Angesichts wirst du Brot essen,

bis du zum Ackerboden zurückkehrst.

Denn aus ihm bist du gemacht.

Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.«

Aus dieser Geschichte wurden die wildesten Schlüsse gezogen. Zum Beispiel der, dass die Frauen an allem schuld sind, weil Eva Adam verführt hat. Oder dass die Menschen alles verspielt haben, weil zwei von ihnen Gottes Verbot übertreten haben und deshalb jetzt alle Menschen mit der Erbsünde geboren werden.

Und an diese Geschichte wurden immer wieder interessante Fragen gestellt. Wie zum Beispiel die: Wo kommt eigentlich die Schlange her? Oder: Warum hat Gott die gefährlichen Bäume überhaupt in der Mitte des Gartens gepflanzt? Ich möchte das noch durch eine gewagte Behauptung ergänzen. Menschen mit Schlangenphobie sind die besseren Menschen, sie hätten nie mit der Schlange geredet. 

Aber Scherz beiseite. Diese Geschichte ist eine von den alten großen Erzählungen, die die Welt erklären sollen. Sie beantwortet andere Fragen als wir heute stellen. Sie beantwortet die Frage: Warum ist die Landwirtschaft so beschwerlich? Und: Warum tut Kinder kriegen so weh? Und: Warum kriechen Schlangen auf dem Boden? Und besonders: Warum können wir nicht in Harmonie mit Gott leben?

Eine spätere Überschrift über diese Geschichte lautet: Der Sündenfall. Aber was ist hier die Sünde? Und wie kommt es zu der Sünde? Und wessen Schuld ist es?

Vorsicht. Dies ist eine Geschichte, keine ausgearbeitete Philosophie.

Ich möchte die Frage: Wer ist schuld? Anhand der Geschichte beantworten.

Interessant ist, dass in der Geschichte die Schuld die ganze Zeit hin und her geschoben wird. Gott fragt Adam: Was hast du getan? Adam antwortet: Ich bin nicht schuld. Eva hat mir die Frucht gegeben. Sie ist schuld. Beziehungsweise: Eigentlich bist du Gott schuld, denn du hast mir Eva gegeben. Eva verschiebt die Schuld weiter: Ich bin nicht schuld, die Schlage hat mich verführt. 

Nur die arme Schlange darf nichts dazu sagen. Sie hätte bestimmt noch einen anderen Schuldigen gefunden.

Vielleicht ist das Problem in der Geschichte, dass niemand die Verantwortung für das, was er oder sie getan hat, übernimmt.

Und deshalb glaube ich, dass Jesus Christus das Problem gelöst hat. Er übernimmt die Schuld. Er übernimmt die Verantwortung für das, was er nicht getan hat. Und in diesem Moment kommt das Paradies zurück. Die Beziehungen zwischen Gott und den Menschen und zwischen den Menschen und den Tieren und zwischen den Menschen untereinander werden wieder geheilt, indem endlich jemand sich nicht mehr dagegen wehrt, die Verantwortung zu übernehmen. Insofern ist Jesu stellvertretender Tod am Kreuz Gottes Gegenprogramm zu dem, was in dieser Geschichte passiert. Jemand nimmt die Schuld und behält sie anstatt sie weiterzureichen. 

Aber ist das nicht alles unlogisch? Wenn man sich die Geschichte genauer ansieht, kommt man doch zu dem Schluss: Gott ist schuld. Er hat den Menschen eine Falle gestellt. Einen Baum mitten im Garten und dann das Verbot davon zu essen. Es ist doch klar, dass irgendwann irgendjemand das Verbot übertreten würde. Das war doch nur eine Frage der Zeit.

Paul Tillich ein berühmter Theologe aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sieht das so ähnlich. Er sagt: Damit eine Entwicklung in die Geschichte kommt, müssen die Menschen aus dem Stadium der träumenden Unschuld heraustreten, das Gebot übertreten und damit anfangen selbständige Entscheidungen zu treffen. Und dann werden einige dieser Entscheidungen auch falsch sein. Das wusste Gott und deshalb hat Gott ihnen die Chance gegeben, sich gegen ihn zu stellen. Denn das war nötig, damit die Menschheit lernte Gutes und Böses zu unterscheiden und ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Es war nötig das Gebot zu übertreten, um erwachsen zu werden und die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Nur so wurden die Menschen zu Partnern Gottes. Und nur so konnte die Geschichte beginnen – eine Geschichte in der Gott nicht alles in der Hand behalten hat, sondern den Menschen Raum für eigene Entscheidungen gegeben hat. Die Sünde ist der Preis der Freiheit. Und Gott zahlt diesen Preis, damit die Menschen frei von ihm werden. Wie ein gutes Elternteil schickt Gott die Menschen in die Welt, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Und Frauen und Männer sind gleichermaßen für das verantwortlich, was sie tun. Aber weiter in ihrer Beziehung zu Gott kommen beide nur, wenn sie die Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen. Und das ist jetzt möglich, denn Jesus Christus hat uns die Schuld abgenommen. Wir können zu unseren Taten stehen, denn sie werden uns nicht vernichten oder aus dem guten Leben vertreiben. Der Weg zurück ins Paradies ist geöffnet, damit, dass wir Gott wieder in die Augen sehen können.

und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Herzen und Sinn in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben!

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