Totensonntag 21.11.21 Albrecht Burkholz

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

wir erinnern uns heute am Totensonntag der Menschen, die uns nahe waren, die uns geprägt haben, und die von uns gegangen sind. Wir nennen sie hier in der Kirche vor Gott. Wir beten für sie. Wir vertrauen sie Gott, dem Schöpfer und Ziel allen Lebens an. Und wir beten auch für uns, dass wir weitergehen können auf dem Weg der Trauer. Wir wissen: das ist unsere Aufgabe. Die schwere seelische Arbeit des Abschiednehmens ist unsere Aufgabe. Wir sind dabei schon Schritte gegangen. Und es liegen noch viele Schritte der Trauer vor uns.

Unser Predigttext heute ist eine Geschichte über ein Sterben. Dieses Sterben des Mose findet an einem Übergang statt. Das Volk Israel ist aus der Sklaverei in Ägypten befreit worden. 40 Jahre ist es in der Wüste der Sinaihalbinsel gewesen. Und jetzt kommen sie bald an am Ziel. Im Gelobten Land, wo Milch und Honig fließt.

Ich lese 5. Mose 34,1-8 in der neuen Übersetzung der Basisbibel, die mit Jugendlichen zusammen erarbeitet wurde.

Mose stirbt

Mose verließ die Steppe Moabs

und stieg hinauf auf den Berg Nebo.

Das ist der Gipfel des Pisga gegenüber von Jericho.

Dort zeigte der Herr Mose das ganze Land:

von Gilead bis Dan,

das ganze Gebiet von Naftali,

das Gebiet von Efraim und Manasse,

das ganze Gebiet von Juda bis zum Meer im Westen,

die Wüste im Süden, das Gebiet am Jordan entlang,

von Jericho, der Palmenstadt, bis nach Zoar.

Danach sagte der Herr zu ihm:

»Dies ist das Land,

das ich Abraham, Isaak und Jakob versprochen habe.

Ich habe geschworen, es deinen Nachkommen zu geben.

Du, Mose, hast das Land zwar sehen dürfen,

aber hineinkommen wirst du nicht.«

Mose, der Knecht des Herrn, starb dort im Land Moab.

So hatte es der Herr bestimmt.

Er begrub ihn auch im Land Moab,

in einem Tal gegenüber von Bet-Pegor.

Bis heute ist die Lage seines Grabes unbekannt.

Als Mose starb, war er 120 Jahre alt.

Seine Augen waren nicht schwach geworden,

seine Lebenskraft war nicht gewichen.

30 Tage lang weinten die Israeliten um Mose

dort in der Steppe Moabs.

Danach war die Zeit des Weinens und der Trauer vorbei.

Mose hat das Volk geführt. Und die Menschen dieses Volkes sind ihm mit ihrer Unzufriedenheit und Quengelei ziemlich auf die Nerven gegangen. Einmal hat er nicht abgewartet, bis Gott mit ihm geredet hatte und hat seinen Stab an den Felsen geschlagen und es kam Wasser für das durstige Volk. Wegen dieser Eigenmächtigkeit darf er nicht in das Gelobte Land. Er darf es nur aus der Ferne sehen.

Das war sicher schwer für Mose. Solange ist er auf das Ziel zugegangen. Und dann sieht er es nur von Ferne. Und darf nicht mehr hinein in die Zukunft.

Liebe Angehörige der Verstorbenen,

Ihre Verstorbenen haben bestimmt Pläne gehabt. Und Sie haben Pläne gehabt mit Ihnen. Diese Zukunft gibt es so nicht mehr. Der Tod zwingt uns dazu, zurück zu schauen. Bilanz zu ziehen. Uns zu erinnern. Zu bewerten was war. Mit den Gefühlen dem Verlust hinter her kommen.

Hier beim Tod des Mose wendet sich der Blick in die Zukunft. Das hat mich überrascht. Aber vielleicht liegt das nicht nur an der Besonderheit dieses Todes. Vielleicht ist das auch bei uns so.

Unsere Verstorbenen wollen, dass wir in die Zukunft schauen. Unseren Verstorbenen ist es wichtig, dass wir eine gute Zukunft. Wir werden unseren Verstorbenen gerecht, wenn wir ein gutes und glückliches Leben ohne sie in der Zukunft führen.

Versetzen wir uns noch einmal in Mose auf dem Berg hinein. Im hohen Alter hat er einen Auftrag bekommen und hat ihn ausgeführt. Er hat sein Volk in die Freiheit geführ t und in der Freiheit zum freien Leben mit Gottes Hilfe erzogen. Das Volk musste in 40 mühsamen Jahren die Regeln der Freiheit lernen. Und allmählich Vertrauen fassen und das Quengeln lassen.

Ein langer mühsamer Weg durch die Wüste kommt nun an sein Ende. Vor sich sieht er das schöne Land. Da ist nicht mehr Wüste, da ist Wasser und fruchtbares Land. Das Ziel seiner Sehnsucht ist da. Er ist 120 Jahre alt. Und er hat sein Ziel erreicht. Nicht direkt er selbst, aber die, die mit ihm verbunden sind, die dürfen in das schöne Land der Zukunft einziehen. Was Mose sich in diesem Augenblick vor allem wünscht, ist nicht, dass das Volk lange um ihn trauert. Sondern dass sie seinen größten Wunsch erreichen: eine gute Zukunft für sich selbst. Der größte Gefallen, den das Volk ihm machen kann, ist, nicht zurück zu schauen, sondern nach vorne. Sein Tod, sein Grab und alles, was war, soll sie nicht festhalten.

Deshalb begräbt Gott Mose und  niemand weiß, wo sein Grab ist. Er ist irgendwie in der Höhe der Berge, nahe bei Gott, verschwunden. 30 Tage trauert das Volk. Und dann ist die Trauer vorbei und die Zukunft beginnt.

Liebe Gemeinde,

früher, zu meiner Kindheit in den 60er Jahren gab es in unserem kleinen Dorf im Vogelsberg noch das Trauerjahr. Die Frauen haben ein Jahr lang schwarz getragen. Heute haben sich unsere Trauersitten sehr verändert. Vieles ist möglich und das hat Vorteile. Es ist nicht festgelegt. Ich muss mich in meiner Trauer nicht darum kümmern, was die Leute sagen. Das Anstrengende daran ist, dass ich meine Form der Trauer finden muss.

Auch die Zeit, die wir brauchen für die Trauer, ist sehr unterschiedlich. Und sie geht ja immer mit uns. Die, die uns nahe waren, sind nie ganz weg. In Gott bleiben wir verbunden, wir Lebenden und unsere Toten.

Aber nehmen wir das als Botschaft des heutigen Predigttextes mit.

Was unsere Verstorbenen sich von uns wünschen ist nicht das Verharren an den Gräbern und das Blicken in die Vergangenheit. Was unsere Verstorbenen sich von uns wünschen ist der Blick in die Zukunft und das Losgehen in die Zukunft. Sie wünschen sich, dass wir in die Zukunft gehen und sie zu einem Gelobten Land machen, auch ohne unsere geliebten Verstorbenen.

Es ist sehr traurig, dass Mose dieses Ziel nicht selbst erreichen kann. Er trauert. Das Volk trauert. Und Gott zeigt ihm die Zukunft und begräbt ihn selbst. Gott nimmt die Trauer auf und an und führt darüber hinaus. Liebe Gemeinde, Gott nimmt unsere Trauer auf und nimmt unsere Trauer an. Und Gott führt uns über diese unsere Trauer hinaus. Wir können in die Zukunft schauen. Und dabei nehmen wir den Blick und die Sehnsucht und die Wünsche unserer Verstorbenen auf. Ihr Vermächtnis bringt uns auf den Weg in das Land, das vor uns liegt. Machen wir dieses Land zum Gelobten Land, wo Milch und Honig fließt. Das ist die Aufgabe der Trauer. Das ist das Vermächtnis unserer Verstorbenen. Das ist die Richtung, in die Gott zeigt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen seligen Leben. Amen.

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