Volkstrauertag 13.11.22 Albrecht Burkholz

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und  die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde am Volkstrauertag, heute denken wir an die vermissten und gefallenen Soldaten, deren Namen draußen auf dem Kriegerdenkmal stehen. 1914-1918 war der erste Weltkrieg und alle waren entsetzt über das sinnlose Sterben in den Schützengräben über Jahre, ohne dass sich groß etwas an den Stellungen geändert hätte.

Dann kam der zweite Weltkrieg 1939-1945. Es gab noch viel mehr Kriegsopfer, diesmal noch mehr zivile Opfer. Hier in Deutschland war man gelähmt nach den Bombenangriffen auf die Städte, aber vor allem moralisch gelähmt durch die Leichenberge aus den Konzentrationslagern. Ich bin 1961 geboren, 16 Jahre nach Kriegsende. Für mich war das lange her damals, aber heute wird mir klar, wie nah das noch war für meine Eltern und Großeltern.

Wir waren sehr dankbar für viele Jahrzehnte ohne Krieg hier in Europa. Dann gab es den Jugoslawienkrieg in Europa vor jetzt fast 30 Jahren und nun in diesem Jahr den Ukrainekrieg in seiner heißen Phase mit Wirkungen bis zu uns. Flüchtlinge leben unter uns. Wir liefern Waffen. Die Energiepreise und damit alle Preise sind stark gestiegen. Und das, wo wir eigentlich eine Erholung nach dem Coronaschock bräuchten.

Der Volkstrauertag bekommt dadurch einen ganz anderen Hintergrund. Wir diskutieren darüber, ob wir jungen Männern aus Russland oder der Ukraine, die nicht kämpfen wollen, Asyl geben sollen. Und wir denken an die gefallenen und verunglückten deutschen  Soldatinnen und Soldaten, die bei Auslandseinsätzen, im Kosovo, in Afghanistan und heute z.B. in Mali gestorben sind.

Unser Bibeltext für heute enthält die Ermutigung zu beharrlichem Beten. Auch wenn nicht jedes Gebet erhört wird, dafür stehen die Namen draußen auf dem Kriegerdenkmal, lohnt sich das  Beten. Denn wir müssen mit dem Schlimmen klar kommen, was passiert. Unsere Seele muss heilen, so gut es geht. Wir brauchen eine Zukunft. Die Menschen damals während der Kriege mussten lange um Frieden beten, und irgendwann gab es Frieden.

Ich lese Lukas 18,1-8 in der Übersetzung der Basisbibel

1Jesus wollte den Jüngern deutlich machen,

dass sie immer beten sollen, ohne darin nachzulassen.

Deshalb erzählte er ihnen ein Gleichnis:

2»In einer Stadt lebte ein Richter.

Der hatte keine Achtung vor Gott

und nahm auf keinen Menschen Rücksicht.

3In der gleichen Stadt wohnte auch eine Witwe.

Die kam immer wieder zu ihm und sagte:

›Verhilf mir zu meinem Recht gegenüber meinem Gegner.‹

4Lange Zeit wollte sich der Richter nicht darum kümmern.

Doch dann sagte er sich:

›Ich habe zwar keine Achtung vor Gott

und ich nehme auf keinen Menschen Rücksicht.

5Aber diese Witwe ist mir lästig.

Deshalb will ich ihr zu ihrem Recht verhelfen.

Sonst verpasst sie mir am Ende noch

einen Schlag ins Gesicht.‹«

6Und der Herr fuhr fort:

»Hört genau hin, was der ungerechte Richter hier sagt!

7Wird Gott dann nicht umso mehr

denen zu ihrem Recht verhelfen, die er erwählt hat –

und die Tag und Nacht zu ihm rufen?

Wird er sie etwa lange warten lassen?

8Das sage ich euch:

Er wird ihnen schon bald zu ihrem Recht verhelfen!

Aber wenn der Menschensohn kommt,

wird er so einen Glauben auf der Erde finden?«

Diese Geschichte sagt nicht, dass Gott ein ungerechter Richter ist. Sie sagt: wenn schon so  ein ungerechter Richter sich von einer nervenden Witwe dazu drängen lässt, ihr Recht zu geben, um wieviel mehr wird nicht Gott, der es gut mit seinen Menschen meint, Gebete erhören.

Der letzte Satz unseres Predigttextes sagt: Jesus kommt wieder und alles wird anders. Dann kommt es darauf an, bereit zu sein und eine solche große Erwartung an Gott zu haben wie diese Witwe in unserer Geschichte.

Das stellt  unsere Probleme in eine große Geschichte hinein, in Gottes Geschichte mit dieser Welt.

Ja, es kann sein, dass unsere Gebete nicht erhört werden. Wir beten für Menschen und trotzdem passiert ihnen schlimmes. Trotzdem sterben sie. Wir beten um Frieden, aber es wird so viel gekämpft. Wir beten um Lösung unserer privaten Probleme, aber es ist so mühsam und zäh und bitter und manchmal aussichtslos.

All das gehört in eine große Geschichte.

Gott kommt zur Welt, um Erlösung zu bringen. Mit Jesus hat es angefangen. Unser Erlöser kommt wieder. Die Welt wird erlöst werden, auch wenn sie dabei verwandelt werden muss. Sie muss dabei durch das Gericht hindurch gehen.

Wir mit unseren Problemen und unseren Ängsten sind ein Teil in Gottes Plan für diese Welt. Wenn wir beten und damit der Hoffnung Raum geben, kann Gottes Erlösungsplan für diese Welt wirksam werden. In unserer Seele. Und damit in unserem Handeln.

Als ich ein junger Mann war, konnte man mit dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, wenig anfangen. Da geht es um die Apokalypse. Um die 4 apolyptischen Reiter, die Verderben über die Erde bringen. Um den Antichrist, der eine kurze schlimme Herrschaft über die Erde antritt, bevor der Böse endgültig gestürzt wird und endlich Gott alles in allem ist und ein gutes Ende da ist.

Das gab es  höchstens in Fantasyfilmen, die damals erst modern wurden.

Heute gibt es viele Geschichte darüber, wie die Welt an ihr Ende kommen könnte. Die vielen Krisen jagen uns Angst ein.

Deshalb ist die Ermutigung der Bibel so wichtig: es kann schlimm werden, ja. Aber am Ende siegt Gottes gute Sache. Und wir können dazu gehören, zu Gottes guter Sache. Das, was in uns und an uns nicht gut ist, das kann verwandelt werden. 

Dazu hilft es, wenn wir beten. Dran bleiben beim Beten. Für unsere Sache beten, aber dabei offen sein  für Gottes Sache. Wie im Vaterunser. Da beten wir erst mal nicht für unsere Angelegenheiten: Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Dann erst beten wir: unser tägliches Brot gib uns heute. Da beten wir auch nicht: gib uns auch Geld für einen Sonntagsbraten in der übernächsten Woche.

Was uns Sorgen macht, das wird einsortiert. Und damit weniger gewichtig. Es geht ja schließlich um Gottes guten Plan für die Welt. Um das Reich Gottes. Aber die Geschichte von der Witwe ermutigt uns auch, für unsere Angelegenheiten zu beten und dabei zäh und mit Durchhaltevermögen zu beten. Wir dürfen Gott nerven. Wir dürfen Gott auf den Schlips treten. Hauptsache, wir erwarten was von Gott.

Diese Haltung, alles von Gott zu erwarten, aber das zu tun, was nötig ist, das ist Glaube.

Heute beten wir für den Frieden. Damals, während der Weltkriege, haben die Menschen das sicher auch getan. Und irgendwann, nach vielen Opfern, ist es wahr geworden.

Wieso geht es nicht ohne Opfer? Ohne all das Leid?

Angesichts des Kreuzes habe ich mich das immer gefragt. Wieso kann Gott uns nicht einfach so vergeben. Wieso muss  das Leid sein?

Die Frage führt nicht weiter. Das Leid gibt es und wir müssen damit klar kommen. Die Frage muss lauten: Wie gehe ich mit dem Leid um? Wie kann ich trotz allem die Hoffnung nicht verlieren? Wie kann ich trotz allem vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint und stark genug ist, das auch zu tun? Wie kann ich trotz allem der Liebe genug Raum geben, damit Gott in mir wirken kann?

Die Witwe aus unserer Geschichte zeigt uns einen Weg. Dran bleiben. Zäh, unermüdlich, mit Durchhaltvermögen. Penetrant. Ohne Scheu zu nerven. Drauf rum reiten. Wiederholen. Und noch mal Wiederholen. Und dann halt noch mal wiederholen. Wie ein quengelndes Kind. Die sind ja auch oft erfolgreich.

Ich könnte mir vorstellen, dass Jesus diese schockierende Geschichte erzählt hat, wo es einen Vergleich zwischen Gott und einem ungerechten Richter gibt, damit das haften bleibt bei uns. Dran bleiben. Beten, immer weiter beten. Unser Anliegen beharrlich vorbringen. Immer wieder. Und dabei nicht vergessen. Es geht um mehr als uns selbst und das, was uns so bewegt. Es geht um Gottes Sache. Dein Reich komme. Aber wir sind offen dafür, wenn wir ganz viel von Gott erwarten. Und ihm das immer wieder sagen. Unsere Erwartung ist das Tor, durch das Gottes gute Gaben zu uns kommen. 

Und eine von Gottes guten Gaben ist, dass wir Formen haben, mit dem Leid  und dem Tod und der Zerstörung und der Gewalttat umzugehen. Formen für uns selbst. Und gemeinsame Formen wie diesen Gottesdienst oder die Gedenkfeier im Anschluss. Zu Gottes guten Gaben gehört auch unsere Resilienz, unsere Widerstandskraft. Auch die  wird durch beharrliches Beten gestärkt.

Ich wünsche uns allen gute Erfahrungen mit diesem beharrlichen Beten. Nehmen wir uns die nervende Witwe als Vorbild. Machen wir das Tor für Gottes gute Gaben weit auf.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen, seligen Leben. Amen.

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